Du bist privater Anleger und kennst Dich mit zahlreichen Anlage-Strategien aus? Du Kennst die CANSLIM Strategie? Sehr gut – aber kennst Du auch William O’Neil? Nein – solltest du aber, denn er ist der “Vater” der CANSLIM Methode. Wie du sicherlich weißt, schreibe ich hier über berühmte Börsenpersönlichkeiten. Doch nicht immer sind diese Persönlichkeiten Menschen, die sich eines hohen Bekanntheitsgrades erfreuen, wie es beispielsweise ein Warren Buffett, Carl Icahn oder auch George Soros tun.
Vielmehr zeichnen sich Börsenpersönlichkeiten auch oftmals dadurch aus, dass Sie außerordentlich erfolgreiche Börsen-Strategien entwickelt haben. Sie sind halt nur weniger in der Öffentlichkeit bekannt.
Martin B.
Zuletzt aktualisiert am: 14. Juli 2023
27. Mai 2020
Eine dieser Personen ist William O‘ Neil und seine CANSLIM Strategie, die unter Experten als einer der erfolgreichsten Investment-Strategien überhaupt gilt, aber bei weitem nicht die Bekanntheit besitzt wie das Value-Investing. Doch beginnen wir bei William O Neill selbst.
Das Leben von William O’Neil ist nicht mit dem von Jesse Livermore oder Nicolas Darvas zu vergleichen. Während Livermore mehrfach alles verloren hatte, konzentrierte sich O’Neil mehr um die Analyse, als um das Traden mit Echtgeld. Seine Strategie ist deutlich komplexer und für Anfänger nicht unbedingt adaptierbar. Dennoch möchte ich hier den Versuch unternehmen, es so einfach wie möglich zu erklären und am Ende auch anhand eines Beispiels besprechen.
Fakt ist, jeder Börsianer muss CAN SLIM (CAN SLIM = Richtige Schreibweise / Unter Börsianern einfach CANSLIM) kennen.
William O’Neil wurde am 25. März 1933 in den Vereinigten Staaten geboren. Trotz seines hohen Alters ist er bis heute sehr aktiv. Er ist nicht nur als Trader und Buchautor, sondern auch als erfolgreicher Unternehmer unterwegs.
Schauen wir uns in den Lebenslauf von William O’Neil an:
Bevor ich dir jeden einzelnen Buchstabe des CANSLIM-Ansatzes erkläre, muss ich mit dir einen Ausflug zum 52-Wochenhoch machen. Das Jahreshoch ist ein elementarer Bestandteil der CANSLIM – Strategie und soll deshalb etwas ausführlicher besprochen werden.
Ich möchte mit dir ein kleines Gedankenexperiment durchführen. Bist du bereit?
Eine Aktie vom börsennotierten Unternehmen “A” kostete vor einen Monat 100 Euro und heute notiert der Kurs bei 90 Euro. Anders ist es beim Unternehmen “B”. Vor dreißig Tagen konntest du einen Share für 100 Euro kaufen und heute liegt der Kurs bereits bei 110 Euro pro Anteilsschein. Für welche Aktie entscheidest du dich? Beachte, du musst die Aktie mindestens sechs Monate halten.
Die Meisten würden sich für Unternehmen A entscheiden, denn die Aktie scheint sich gerade in einer Konsolidierungsphase zu befinden und anschließend wird es weiter gen Norden gehen.
Die Finanzpsychologie bezeichnet das Verhalten als Alltime-High-Bias. Trader werden mit zunehmend steigenden Kursen unsicherer und trauen der Aktie weniger und weniger zu. Eigentlich ist genau das Gegenteil der Fall. Steigende Notierungen implizieren ein gesundes Unternehmen mit aussichtsreichen Zukunftsperspektiven.
Warum zum „Teufel“ sollst du in eine Firma investieren, deren Aktienkurs sich auf Talfahrt befindet? Richtig, es gibt keinen rational erklärbaren Grund dafür.
Die Börsen-Literatur ist geprägt von der Philosophie, eine Aktie am Tiefpunkt zu kaufen und zu Höchstständen wieder zu verkaufen – „Buy Low and sell high“. Von diesem Denkmuster musst du dich verabschieden oder dich zumindest für den Ansatz „Buy high and sell higher“ öffnen. Im fortlaufenden Artikel wird auf die Bedeutung des 52-Wochenhochs im CANSLIM-Kontext eingegangen.
Bevor ich dir mit Hilfe eines praktischen Beispiels die CANSLIM-Methode näher erläutere, möchte ich einige grundlegende Dinge zum Ansatz von O’Neil erklären.
Den siebenstufigen Investmentprozess hat William O’Neil bereits in den 50er Jahren entwickelt. In seinem Bestseller „Wie man mit Aktien Geld verdient“ hat er sich 100 börsennotierte Unternehmen und deren Entwicklung zwischen 1880 und 2008 angeschaut. In minutiöser Arbeit verglich er die Unternehmen auf Gemeinsamkeiten und verpackte seine Erkenntnisse in die CANSLIM-Methode.
Der Auswahlprozess ist umfangreich und hängt von vielen Faktoren ab. Was die meisten nicht wissen, William O’Neil hat seine Strategie umfassend definiert. Er macht Aussagen zum Stopp-Loss, zur Diversifikation und zu den passenden Märkten. Beginnen wir mit den Basics.
Im Grunde wird ein kontinuierliches Gewinn- und Umsatzwachstum erwartet. Konkret sollte der Anstieg zwischen 20 und 25 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal betragen. Schließlich soll das Portfolio mit Gewinnern bestückt werden und nicht mit Verlierern, wo „krampfhaft“ auf einem Turn-a-Round spekuliert wird.
Wie auch bei den Current Earnings spielt Wachstum eine wichtige Rolle. Die Erträge und Gewinne sollten innerhalb eines Jahres konstant wachsen. Empfohlen wird eine Eigenkapitalrendite von mehr als fünfzehn Prozent. Auf einem Betrachtungshorizont von drei Jahren sollte das Ertrags- und Gewinnwachstum zumindest stabil sein.
Das Konzept des schöpferischen Kapitalismus von Schumpeter begleitet mich mein Leben lang. Es sagt folgendes aus, innovative Unternehmen werden das Feld anführen und für Wohlstand sorgen. Denken wir kurz gemeinsam an Apple und Nokia. Apple hat mit seiner Idee eines Handys ohne Tasten den Weltkonzern Nokia in die Knie gezwungen.
Hinter dem „N“ aus CANSLIM verbirgt sich die gleiche Idee. Innovation bringt ein Unternehmen nach vorne und sorgt für steigende Aktienkurse.
Beim Management ist es das Gleiche. Wenn ein frischer Wind mit einem Hauch von Aufbruchstimmung im Unternehmen weht, dann wirkt sich das positiv auf den Börsenwert aus. Die Vorstände eines Unternehmens sind öffentlich einsehbar. Als Trader musst du nur noch etwas über die Personen recherchieren und erhältst so ziemlich schnell ein aussagekräftiges Bild von der Führungsetage.
Die bisherigen Faktoren gehörten zur Fundamental-Analyse. Zur Beurteilung dieses Kriteriums muss ein Blick in den Aktienchart geworfen werden. Zusätzlich kann es nicht schaden, sich das Volumen anzeigen zu lassen. Welchen Eindruck hast du? Geht das Volumen von Monat zu Monat zurück? Sinkt der Aktienkurs? Falls ja, Vorsicht.
Im oberen Abschnitt bin ich bereits auf das Konzept vom 52-Wochenhoch eingegangen. Diese Voraussetzung muss nach CANSLIM erfüllt sein.
Bereits Jesse Livermore hat zu Beginn seines Entscheidungsfindungsprozesses die Anführer von Industriesektoren herausgesucht. Die Identifizierung solcher Marktführer kann auf unterschiedlichen Wegen erfolgen.
Eine Möglichkeit bietet der Vergleich diverser Aktiencharts. Picke die Vertreter einer Branche heraus und vergleiche Sie zum Beispiel mit einem Index, wie zum Beispiel dem DAX oder S&P500. Welches Unternehmen schlägt den Vergleichsindex? Welche Aktie performt am besten? Für einen ersten Eindruck eignet sich diese Methode sehr gut.
Branchenführer zu identifizieren ist meist nicht so schwer. Ein Blick in die Berichterstattung zu einem Thema kann ebenfalls helfen. Am Ende wirst du mit den Leadern sehr oft konfrontiert und nutzt diese selbst.
Beispiele für Branchenführer aus der westlichen Welt:
Kleinanleger werden hämisch auch als „Dumb Money“ bezeichnet. Die wirklich großen Fische, wie zum Beispiel Fonds oder andere institutionelle Investoren werden als „Smart Money“ betitelt. Bei den großen Vermögensverwaltungen (Asset Management) und Hedge Fonds arbeiten die klügsten Köpfe. Wenn diese in ein Unternehmen investieren und die Quote sogar von Quartal zu Quartal steigt, dann ist das ein gutes Zeichen. Als Orientierung dient eine Beteiligungsquote der Smart Money von mindestens zehn Prozent.
Trade niemals gegen den übergeordneten Markttrend. Diese Regel bekommen angehende Börsianer schon sehr früh eingetrichtert. Was steckt nun dahinter? Beginnen wir mit der Auswahl des Marktes. Möchtest du in ein deutsches Unternehmen investieren, dann kann der übergeordnete Markt der DAX sein. In Amerika wäre es der S&P 500 oder der Dow Jones. Das alles entscheidende Kriterium ist die eingeschlagene Richtung.
Befindet sich der DAX in einem Bärenmarkt, dann sollte auf ein Investment nach CANSLIM verzichtet werden, bzw. sollte der Entscheidungsfindungsprozess deutlich um weitere Faktoren erweitert werden. Wenn die Stimmung an den Börsenmärkten nämlich schlecht ist, reicht meist nur eine kleine Negativ-Meldung aus und der Aktienkurs des Unternehmens verliert dramatisch an Wert.
Machen wir uns nichts vor, die Strategie ist zeitintensiv und vereint die Disziplinen der technischen und fundamentalen Analyse. Wer Charttechnik für Hexenwerk hält, sollte sich nach einer Alternative zu CANSLIM umsehen.
Die Frage kann nur jeder für sich selbst beantworten. Ich selbst kenne einen erfolgreichen Value Investor, der über 200 Werte in sein Portfolio hat. Ein Michael Burry fühlt sich mit zehn Werten sehr wohl. Peter Lynch verwaltete gleichzeitig bis zu 1500 Positionen. William O’Neil empfiehlt sechs bis sieben gut ausgewählte Aktien.
Der Teil „gut ausgewählter Aktien“ ist an dieser Stelle entscheidend, denn wer nach CANSLIM investiert, wählt seine Aktien in der Tat sehr gut aus. Eine Analyse kann mehrere Stunden bis Tage dauern.
Weil CANSLIM – Methode von William O’Neil so zeitintensiv ist, durften drei bis fünf Unternehmen im Portfolio ausreichen.
Die deutschen Aktienindizes bestehen aus wunderbaren Unternehmen. Allerdings erfüllen nur wenige bis keine die Voraussetzungen nach CANSLIM. Dafür ist das Aktien-Universum hier zu Lande einfach zu klein. Die Kriterien können modifiziert werden, damit auch in Deutschland ein Unternehmen alles erfüllt. Besser wäre ein Blick über den großen Teich zu unseren amerikanischen Freunden.
Für sein Buch untersuchte William O’Neil 100 Aktien zwischen 1880 und 2008. Selbst der Autor hat nicht zu jedem Jahr eine Aktie, die alle Kriterien erfüllt, gefunden.
William O’Neil spricht von einer dreißig prozentigen Trefferquote. Wie hoch deine Trefferquote am Ende des Tages ist, wird dir dein Tradingjournal zeigen.
O’Neil stieg nicht sofort in jede Aktie ein, die annährend die CANSLIM-Kriterien erfüllte. Im Gegenteil, er fügte eine weitere Bedingung hinzu. Der Chart muss Konsolidieren und eine Tasse mit Henkel Formation ausbilden. Erst bei Ausbruch aus dem Henkel wird investiert.
Für William O’Neil sollte der Stopp-Loss maximal sieben bis acht Prozent vom Einstiegskurs entfernt sein. Mehr geht nicht! Deutlich besser wäre ein Stopp-Loss bei fünf Prozent.
Ja die gibt es und es kommt sogar noch besser – Es ist kostenlos. Für dich habe ich den Rechner von Finviz so eingestellt, dass die Filter ungefähr dem Konzept nach CANSLIM entsprechen.
Der Screener nimmt eine Vorabfilterung vor. Die Kriterien N= New Product, L= Leader und M= Market Direction lassen sich darüber nicht abbilden.
Die Netflix-Story ist beeindruckend und nur eines von zahlreichen Beispielen, wie einfach an der Börse Geld verdient werden kann. Lasse dich nicht von vermeintlichen Bitcoin-Millionären blenden, die dir einreden wollen, welch Potenzial hinter der Kryptowährung steckt. A verstehen nur die wenigstens wirklich, was Krypto bedeutet und B bietet der Aktienmarkt viel mehr Chancen.
Blicken wir auf Netflix und prüfen, ob ein Investment nach CANSLIM durchgeführt werden kann.
Die Earnings per Share (EPS) oder zu Deutsch der Gewinn je Aktie kann sich sehen lassen. Gefordert waren lediglich zwanzig Prozent.
Die Eigenkapitalrendite (ROE) sollte über 15 Prozent betragen. Netflix erfüllt mit einem Wert von 19,1 Prozent die Voraussetzung spielend.
Ist Netflix innovativ? Ich würde die Frage klar mit „Ja“ beantworten. Ich würde sogar von einem Game Changer sprechen. Die Zielgruppe sehnt sich nach aufwendig und gut produzierten Serien und Filmen. Genau das liefert Netflix in Kombination mit einer ausgezeichneten Streaming-Plattform. Ich traue der Aktie noch viel zu.
Das 52 Wochenhoch gehört zu den Voraussetzungen für ein Investment nach CANSLIM. Netflix erfüllt das Kriterium mit Bravour. Eine kurze Verschnaufpause könnte dem Aktienkurs allerdings nicht schaden.
Netflix ist in Deutschland erst seit vier Jahren aktiv. Bereits jetzt belegt es gemessen an den Marktanteilen hinter Amazon den zweiten Platz mit einem Marktanteil von 30 Prozent. In den USA ist Netflix sogar Branchenführer.
Gründer und CEO Reed Hastings hält 2,48 Prozent der Anteile. Weitere 401.269 Aktien hält der CPO Neil D. Hunt. Der Chief Content Officer Ted Sarandos hält weitere 497.699 Aktien am Unternehmen. Wenn die eigene Unternehmensführung beteiligt ist, ist das positiv zu werten. Hier geht es aber um die institutionelle Beteiligung. Die Quote ist mit über 70 Prozent nicht gerade klein.
Institutionelle Investoren:
Seid 2009 befindet sich die Weltwirtschaft in einem Bullenmarkt. Der Wohlstand wächst und die Kurse steigen. Wer in Netflix investiert, handelt folglich nicht gegen den Trend.
Unsere Analyse hat gezeigt, dass Netflix ein Investment nach CANSLIM darstellt. Die Analyse hat nicht wirklich viel Zeit in Anspruch genommen. Das liegt zum Großteil aber daran, dass man mit Netflix und dessen Geschäftsmodell täglich in Berührung kommt. Die CANSLIM-Kriterien erfüllte laut finviz auch die Noah Holdings Limited aus China. Das Unternehmen sagt mir auf Anhieb nichts. Hier ist die Einarbeitungsphase deutlich größer.
CANSLIM – Methode am Bespiel Netflix:
Trader bevorzugen ein klares Regelwerk für ihre Strategie. Der CANSLIM-Ansatz von William O’Neil lässt sich nicht ohne Weiteres in eine Formel pressen. Die weichen Faktoren, wie zum Beispiel die Frage nach der Marktführerschaft oder nach der Einzigartigkeit und Innovationskraft des Produktes können nur mit einer persönlichen Einschätzung beantwortet werden.
Neben den bereits angesprochenen Nachteilen, wie den hohen Zeitaufwand bietet der Ansatz viele Vorteile. Während Andere im Bärenmarkt baden gehen und viel Geld verlieren, ist der CANSLIM-Trader kaum investiert. Schließlich gibt es in Bärenmärkten nur wenige Aktien die neue 52-Wochenhochs erreichen.
Hier noch ein Tipp von mir. Nimmt die Anzahl deiner Fehltrades zu, dann warte mit weiteren Einstiegen, denn vielleicht befindet sich der Bullenmarkt gerade an einem Wendepunkt. Dank des Stopp-Loss werden Verluste vernünftig und konsequent begrenzt. Bei Unternehmen, die sich dann über Jahre nicht mehr erholen, ist man selbst nicht mehr mit von der Partie.
Am Ende möchte ich sagen, dass keiner der Faktoren in Stein gemeißelt ist. Hast du mit einem leicht angepassten Setup mehr Erfolg, dann parametrisiere den Screener entsprechend. Ist ein aufsteigendes Dreieck als Formation für dich vielversprechender, als die Cup-and-Handle-Formation, dann nutze diese. Zeiten ändern sich und als Börsianer musst du dich diesen Gegebenheiten anpassen.
Martin B.
Website Design by Felicis Design
Zuletzt aktualisiert am 14. Juli 2023 by Redaktion