Jesse Livermore – bekannt als “Boy Plunger” und Meister des “Short Selling”. Er gilt als einer der erfolgreichsten und vielleicht auch tragischsten Börsenspekulanten aller Zeiten. Und das hat seine Gründe – denn: Hast du jemals an der Börse einen Rückschlag hinnehmen müssen? Hast du daran gedacht alles zu beenden und dich von der Börse zu verabschieden? Falls ja, dann lese dir die Geschichte von Jesse Livermore durch. Eine Geschichte, wie sie spannender, aber eben leider auch trauriger nicht sein könnte.
Martin B.
21. Mai 2020
Zuletzt aktualisiert am: 13. Juli 2023
Zweifelsohne – das Leben von Jesse Livermore war ein außerordentlich Bewegtes. Er erlebte alle Höhen und Tiefen des menschlichen Daseins und das obwohl er mit der von ihm entwickelten Investment-Strategie hochgradig erfolgreich war. Doch bevor ich Dir diese Strategie näher erläutere, lass uns einen Blick auf die Person des Jesse Lauriston Livermore werfen. Du wirst überrascht sein, wie oft Livermore sein Konto gegen die Wand gefahren hat und mit welcher Beharrlichkeit er immer wieder aufgestanden ist.
Jesse Livermore wurde 1877 in normalen Verhältnissen geboren. Bereits in frühen Jahren beschäftigte er sich mit dem Thema “Geld verdienen an der Börse”.
Kein Wunder also, dass er sich bereits mit 14 Jahren und nur fünf Dollar in der Tasche auf den Weg nach New York machte.
Seine erste finanzielle Pleite erlitt er 1901 im Alter von gerade einmal 24 Jahren. Doch er nahm diese erste Pleite offensichtlich sportlich und wartete auf die Chance, finanziell wieder auf die Beine zu kommen.
Und genau dieser Prozess der finanziellen Gesundung hat fast komplette 5 Jahre gedauert. Im Jahr 1906 hat er mit vollem Risiko die Eisenbahngesellschaft Union Pacific geshortet. Als es ein Erdbeben gab, fielen die Kurse der Aktie und Livermore war um 250.000 USD reicher. Nur ein Jahr später machte er weitere Millionen durch eine abermalige Short-Spekulation. Zu diesem Zeitpunkt war er im Grunde ein “gemachter” Mann. Was folgte war jedoch ein abermaliger finanzieller Absturz.
Denn 1915 versuchte er sich in Baumwolle und setzte dabei auf das falsche Pferd. Er verlor einen Großteil seines Geldes. Normalerweise sollte man annehmen, das ihn dieser abermalige Verlust eines Großteils seines Vermögens aus der Bahn werfen würde. So jedoch nicht geschehen – ganz im Gegenteil, denn abermals versuchte er sein Glück an der Börse…..und gewann!
Denn der richtig große Wurf ist ihm dann im Jahr 1929 gelungen, als im Großen Crash 1930 die Kurse ins Bodenlose fielen. Sein 1 Jahr zuvor platziertes Short-Investment brachte ihm unglaubliche 90 Millionen Dollar ein.
Seine Biografie ist also wirklich nichts für schwache Nerven. Und das Schicksal meinte es letztendlich auch nicht gut mit ihm. Denn im Jahr 1940 fand sein interessantes Leben in einem New Yorker Hotel ein trauriges Ende. Er schoss sich in den Kopf. Erst im Nachgang seines Suizids wurde bekannt, das er an einer bipolaren Störung litt.
„Das Spiel der Spekulation ist das am meisten gleichmäßig faszinierende Spiel der Welt. Aber es ist kein Spiel für die Dummen, die geistig Faulen, die Person von minderer emotionaler Balance oder dem „werde schnell reich“ Abenteurer. Sie werden arm sterben.“ Zitat von Jesse Lauriston Livermore
Jesse Livermore war in erster Linie Short-Seller. Den einen oder anderen Long-Trade führte er dennoch durch und genau seine dortige Herangehensweise soll uns in den nächsten Absätzen beschäftigen. Theoretisch kann die Vorgehensweise auch auf Short-Investments angewendet werden.
Jesse Livermores Strategie in Kurzform:
Livermore verfolgte den Top-Down-Ansatz. Er analysierte im ersten Schritt eine Industriegruppe und erst im zweiten Schritt suchte er nach aussichtsreichen Aktien innerhalb der Gruppe. Industriegruppen können zum Beispiel Automobilzulieferer oder Internetaktien sein. Damit du eine lohnenswerte Industriegruppe erkennst, musst du die Wirtschaftspresse verfolgen.
Welche Gruppe gilt als aussichtsreich oder wird gerade gehypt?
Erst danach analysierst du die entsprechenden Aktien und nimmst den Branchenführer heraus.
Investoren und Trader steigen pro- oder antizyklisch in einen Wert ein. Jesse Livermore handelte mit dem Trend, kaufte Wertpapier folglich prozyklisch. Genauer gesagt kaufte er Aktien, die gerade ein neues 52-Wochenhoch erreicht haben und konsolidieren. Für die damalige Zeit recht ungewöhnlich. Ein Kurs klettert auf neue Höchststände und Livermore kauft die Aktie. Davor schrecken noch heute Anleger zurück. Die Behavioral Finance nennt dieses Verhalten „all time high bias“.
Hinzu kommt der sogenannte Dispositionseffekt. Verluste lösen stärkere negative Gefühle aus, als es Gewinne tun. Deshalb glauben wir, dass ein in der Vergangenheit stark angestiegener Kurs schneller crasht. Damit wir nicht mit den Verlusten konfrontiert werden, nehmen wir die Gewinne schneller mit. Bitte verzeihe mir das kurze Abschweifen zur Verhaltensökonomie. Wann stieg Jesse Livermore also in eine Aktie ein, wenn sie ein 52-Hochenhoch erreichte und die Konsolidierung verlassen hat.
Beim Setzen des Stopp-Kurses gibt es verschiedene Möglichkeiten. Entweder wird der Stopp unterhalb des letzten Swing-Lows oder oberhalb des letzten Swing Highs platziert. Ein relativer Abstand zum letzten Höchstkurs der aktuellen Notierung ist auch denkbar.
Jesse Livermore Strategie – Darf verbilligt werden?
Als Trader hast du eine Meinung zu deinem Investment. Läuft der Kurs in den Verlust, dann bestätigt sich diese Meinung nicht. Viele machen den Fehler, dass sie dann ihre Position aufstocken und somit ihren Einstandskurs verbilligen. Livermore hat sich an einen einfachen Grundsatz gehalten. Verlustbringer wurden verkauft und Positionen, die in den Gewinn gelaufen sind, wurden aufgestockt. Wenn du 100 Aktien eines Unternehmens kaufen möchtest, dann kaufe im ersten Schritt nur 25 und warte ab, ob deine Einschätzung vom Markt bestätigt wird.
Trend-Follower wie Jesse Livermore lassen die Gewinne solange laufen, bis sie ausgestoppt werden. Das bedeutet zum einen, dass der Stopp permanent nachgezogen werden muss und zum anderen auf eine Trendwenden geachtet werden sollte. Livermore sprach von einer Trendwende, wenn der Kurs um zehn Prozent korrigierte.
Nachdem wir nun ausführlich die Theorie besprochen haben, soll es nun um ein konkretes Beispiel gehen. Dabei zeige ich dir, wie ich vorgehe. Konkret geht es um die Gruppe der Grafikchiphersteller und um den Branchenführer Nvidia.
Bevor Jesse Livermore in eine Aktie investierte, analysierte er die Industriegruppen. Erst im Anschluss widmete er sich den Leadern aus der Gruppe. Die Analyse wurde zur Geheimwaffe von Livermore und wird heute von einigen Investoren im falschen Kontext benutzt. Die Begriffe Industriegruppe und Sektor-Analyse sind nicht identisch. Der Finanzsektor besteht aus verschiedenen Industriegruppen. In den nächsten Abschnitten werden die verschiedenen Geschäftszweige von Nvidia und deren Wettbewerber unter die Lupe genommen.
Regelmäßig veröffentlichen die Analysten von Jon Peddie Research die Marktanteile von Grafikchipherstellern. In der Fachwelt wird zwischen integrierten GPUs (Onboard) und dedizierten Grafikkarten (Add-in-Boards) mit verbauten GPUs unterschieden. Die Studie fasst zum einen alle verkauften GPUs zusammen und weist zum anderen die Marktanteile zu den Add-in-Boards aus.
Die Grafikkarten von AMD verbrauchen zwar mehr Strom, produzieren mehr Abwärme, haben einen geringeren Wiederverkaufswert und sind lauter als die Karten vom Wettbewerber Nvidia, können aber mit ihren geringeren Anschaffungskosten überzeugen.
Trotz des Verlustes von Marktanteilen profitieren beide Chiphersteller vom Miningboom. Es handelt sich dabei um ein komplett neues Geschäftsfeld, abseits der Gaming-Industrie. Im letzten Jahr wurden drei Millionen Grafikkarten im Wert von 776 Millionen US-Dollar an Kryptominer verkauft.
Fazit: Der Gesamtmarktanteil an Grafikprozessoren lag im vierten Quartal 2017 bei 17,5 Prozent. Es ist noch reichlich Potenzial nach oben vorhanden.
Nur die wenigsten wissen, dass die im Tesla Model S, Model X und angekündigten Model 3 verbauten Computer mit der Technologie von Nvidia arbeiten. Zwar gibt es Gerüchte um ein Abwenden Teslas von Nvidia, doch steckt der Markt noch in den Kinderschuhen. Sobald sich das selbstfahrende Auto in der Gesellschaft flächendecken durchsetzt, dürften die Auftragskonten des Unternehmens voll sein. Die Hardware für ein Auto kostet übrigens 8.000 US-Dollar.
Fazit: Laut Bloomberg sollen bis 2040 mehr E-Autos als Verbrenner-Modelle auf den Straßen fahren. Nvidia, Intel und AMD halten ein Monopol auf die Hardware und könnten überproportional vom E-Auto-Trend profitieren.
Es wurden bereits zwei sehr interessante Geschäftszweige von Nvidia besprochen. Das Unternehmen ist aber auch abseits vom autonomen Fahren im Bereich des Deep Learnings und der künstlichen Intelligenz aktiv.
Video: Das bearbeiten von Bildern ist nicht nur mit großem Zeitaufwand verbunden sondern oftmals auch nicht von Erfolg gekrönt. In dem Video wird die Bildrekonstruktion von Nvidia vorgestellt und es ist wirklich beeindruckend. Bis die Software für den Privatanwender verfügbar ist, wird noch einige Zeit vergehen, denn aktuell läuft das System auf einen hochspezialisierten GPU-Modul für 7.000 bis 12.000 Euro.
Die mit der künstlichen Intelligenz verbundene Steigerung der Effizienz könnte laut McKinsey bis 2030 das Wachstum des BIPs von Deutschland um 0,25 Prozent oder 10 Milliarden Euro jährlich anheben.
Fazit: KI ist die Zukunft und Nvidia positioniert sich frühzeitig in diesem Geschäftsfeld. Die Anwendungsfälle sind schier unendlich.
Nvidia ist auf vielen zukunftsträchtigen Geschäftsfeldern aktiv und gehört zweifelsohne zu den dominierenden der jeweiligen Branche. Im letzten Jahr stieg der Konzern in die TOP-10 der weltweit umsatzstärksten Halbleiterhersteller auf. Im nächsten Schritt geht es um den Chart von Nvidia und ob die Kriterien von Jesse Livermore erfüllt sind.
Die Tradingregeln nach Livermore haben wir zu Beginn des Artikels bereits besprochen. Nun sollen diese am Beispiel von Nvidia angewendet werden. Den Anfang macht die allgemeine Marktstimmung. Auch wenn vieles für Nvidia spricht, sollte der Markt ebenfalls bullisch sein. Sonst wird gegen die vorherrschende Meinung getradet und das geht nur in wenigen Fällen gut.
Nachdem die Frage nach der Marktphase geklärt ist, kann der Chart von Nvidia analysiert werden. Es müssen das 52-Wochenhoch und der mögliche Stopp-Kurs eingezeichnet werden.
Wir können vieles von Jesse Livermore lernen. Er hat sich nie beirren lassen und nie aufgegeben. Wer ein Konto mit mehreren Millionen Dollar mehrmals gegen die Wand fährt und immer wieder aufsteht, verdient jede Anerkennung. Sein Tradingstil war sehr einfach. Es bedarf oftmals keiner hoch komplexen Strategien. Viel wichtiger sind klare Regeln und Disziplin.
Letzteres wird immer als selbstverständlich angesehen, doch wenn dein Depot deutlich im Minus ist, dann verändert sich der Mensch und nimmt es mit der Disziplin nicht mehr so genau. Schließlich schmerzen Verluste mehr als Gewinne. Gerade für Anfänger ist die Investment-Strategie beziehungsweise das “System” von Livermore sehr gut umsetzbar.
Martin B.
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