Börsenpersönlichkeiten: Nicolas Darvas

Wer sich heutzutage mit der Börse und deren Geschichte beschäftigt, trifft dabei vor allem mal auf die Namen Benjamin Graham, der als Vater der Aktienanalyse betrachtet wird, als auch sein Schüler Warren Buffet, der wiederum als Erfinder des Value at Risk Investments gilt. Dann wird dem Einen oder Anderen vielleicht noch Sir John Templeton (dem “Vater” aller Fonds) als auch die Investoren-Legenden Carl Icahn als auch George Soros etwas sagen. Aber Nicolas Darvas? Dabei ist gerade die von ihm entwickelte Methodik bis heute prägend in der Arbeit von Investoren und Börsianern, insbesondere im Bereich des technischen Tradings und der Trendfolge-Strategien. Zeit ihn, sein Schaffen und die von ihm entwickelte Methodik ausführlich vorzustellen.

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Martin B.

Zuletzt aktualisiert am: 9. Oktober 2025

Nicolas Darvas

Zuletzt aktualisiert am: 9. Oktober 2025

Vom Tellerwäscher zum Millionär und von kleinem Mann zum großen Investor – geht es um atemberaubende Geschichten von vermeintlich “kleinen und unbedeutenden” Menschen, die im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ihr Glück machten, dann ist Nicolas Darvas sicherlich ein hervorragendes Beispiel dafür – und das in vielerlei Hinsicht. Seine Geschichte ist nicht nur inspirierend, sondern auch lehrreich, denn sie zeigt, dass erfolgreicher Börsenhandel nicht zwangsläufig eine akademische Ausbildung in Finanzwissenschaften voraussetzt, sondern vor allem Disziplin, systematisches Denken und die Fähigkeit, aus Beobachtungen konkrete Handelsregeln abzuleiten.

Nicolas Darvas – Der Entdecker der Box-Strategie und Pionier der Trendfolge

Er machte zwischen 200.000 und 2.000.000 US-Dollar in wenigen Monaten. Er ist Autor eines der wohl bekanntesten Börsenbücher aller Zeiten. Er arbeitete als einer der Ersten erfolgreich mit Verlustbegrenzungen und Stop-Loss-Orders. Er war ein konsequenter Trendfolger. Er war ein Tänzer und wurde zum Börsenpionier. Erfahre in diesem Artikel die faszinierende Geschichte über Nicolas Darvas, einem in Ungarn geborenen Mann, der 1920 in Budapest zur Welt kam, mit 24 Jahren vor den Nazis floh und 1951 in die USA emigrierte.

Darvas’ Lebensweg war außergewöhnlich: Geboren in eine Zeit großer politischer Umbrüche in Europa, musste er früh lernen, sich anzupassen und neue Wege zu finden. Nach seiner Flucht aus Europa begann er gemeinsam mit seiner Schwester Julia eine Karriere als professioneller Tänzer. Das Tanzpaar Darvas wurde international bekannt und tourte durch die renommiertesten Nachtclubs der Welt – von New York über London bis nach Fernost. Diese Tätigkeit brachte nicht nur Ruhm, sondern sollte auch zum unerwarteten Ausgangspunkt seiner Börsenkarriere werden.

Zoom, Zoom – Aus 3.000 Dollar werden 9.000 Dollar: Der Beginn einer Leidenschaft

Darvas Toronto

Bild: In der kanadischen Stadt Toronto kam Darvas zum ersten Mal mit Aktien in Berührung. Grafikquelle: Google.de

Sein Geld verdiente Darvas zunächst ausschließlich mit Tanzauftritten. Im Jahre 1952 wurde er von einem Nachtclub im kanadischen Toronto gebucht. Anstelle von Bargeld wurde er mit Aktien der Bergbaufirma Brilund im Wert von 3.000 Dollar entlohnt. Zu diesem Zeitpunkt hatte Darvas noch keinen blassen Schimmer von der Finanzwelt und war mit dieser ungewöhnlichen Bezahlungsform zunächst wenig begeistert – schließlich konnte er mit Papierwerten keine Rechnungen bezahlen.

Er kümmerte sich nicht weiter um seine Aktien und widmete sich weiterhin seiner großen Leidenschaft, dem Tanzen. Dafür trainierte er täglich acht Stunden, denn Nicolas Darvas war außerordentlich diszipliniert – eine Eigenschaft, die später auch seinen Börsenerfolg prägen sollte. Diese Disziplin, die er sich als professioneller Tänzer angeeignet hatte, ermöglichte es ihm, emotionale Entscheidungen an der Börse zu vermeiden und strikt nach seinen selbst aufgestellten Regeln zu handeln.

Eines Tages, mehrere Wochen später, prüfte er aus reiner Neugier den Wert seiner Aktien und kam wahrscheinlich aus dem Staunen nicht mehr raus. Sein Paket war nun 9.000 Dollar wert – eine Wertsteigerung von 200 Prozent, ohne dass er etwas dafür hatte tun müssen. In diesem Moment war es um ihn geschehen. Die Faszination, Geld ohne körperliche Anstrengung und während er schlief oder auf der Bühne tanzte zu verdienen, packte ihn vollständig.

Fortan studierte er obsessiv die Kurse und las über 200 Bücher über Aktienhandel, technische Analyse und Börsenpsychologie. Anfänglich hatte er, wie die meisten Börsenneulinge, keinen Erfolg an der Börse und verlor sogar einen beträchtlichen Teil seines Kapitals. Das sollte sich aber schnell ändern. Zuvor musste er nur eine passende Strategie entwickeln – eine Strategie, die zu seiner Persönlichkeit, seinem Lebensstil als reisender Tänzer und seiner Denkweise passte.

Die Darvas Box – Einfaches, aber hocheffektives Regelwerk

Darvas Box Strategie erklärt am Amazon Aktienchart mit Buy Stop und Stop-Loss Markierungen
Darvas Box Methode: Praxisbeispiel am Amazon Wochenchart mit eingezeichneter Konsolidierungsbox, oberer und unterer Begrenzung, Buy-Stop-Einstieg beim Breakout und Stop-Loss-Platzierung

 

Der Tanz brachte ihn um die ganze Welt. Als treuer Leser des wöchentlich erscheinenden Magazins Barron’s wollte er egal wo auf der Erde nicht auf den Kursteil des Heftes verzichten. Er ließ sich die Lektüre nachsenden und studierte, wenn auch mit erheblicher Verzögerung von oft mehreren Wochen, die Kurse diverser Aktien. Diese zeitliche Verzögerung erwies sich paradoxerweise als Vorteil: Sie zwang ihn dazu, sich auf langfristigere Trends zu konzentrieren und kurzfristige Marktschwankungen zu ignorieren, die ohnehin nur zu emotionalen Fehlentscheidungen führen.

Dabei machte er eine interessante und fundamentale Entdeckung über das Verhalten von Aktienkursen: Kurse bewegen sich nicht linear von einem Hoch zum nächsten. Vielmehr gibt es Konsolidierungs- und Verschnaufpausen, in denen der Markt neue Energie sammelt, bevor die nächste Bewegung erfolgt. Diese Phasen folgen einem erkennbaren Muster.

Im Zeitalter der Aktiencharts und computergestützter technischer Analyse erkennen wir solche Konsolidierungsphasen sehr einfach. Damals, in den 1950er Jahren, war das natürlich völlig anders – es gab keine Bildschirme, keine Chart-Software, nur Kurslisten in Zeitungen. Diese kurzen Seitwärtsphasen verglich er mit einem Tänzer, womit er auf sein eigenes Metier zurückgriff: Der Tänzer geht vor seinem Sprung in die Hocke, dadurch holt er die maximale Sprungkraft aus sich heraus. Genauso verhält sich eine Aktie – sie konsolidiert, bevor sie zum nächsten Sprung ansetzt. Diese Erkenntnis machte sich Darvas zunutze und entwickelte daraus eine einfache, aber hocheffektive Strategie, die heute als “Darvas Box Methode” bekannt ist und von zahllosen Tradern weltweit angewendet wird.

Darvas Box – Allgemeine Voraussetzungen und Grundprinzipien

Darvas 52 Wochenhoch

Bild: Die Deutsche Börse erreicht ein neues 52-Wochenhoch und wäre somit interessant für den Ansatz nach Darvas. Grafikquelle: trademy.de

Der Ausnahmetrader Darvas betrachtete drei wesentliche Faktoren: den Preis, das Volumen und seine konstruierten Boxen. Seine Philosophie war klar: Er wollte nur die stärksten Aktien im Markt handeln – Aktien, die bewiesen hatten, dass sie in einem starken Aufwärtstrend sind.

Bevor eine Box überhaupt gezeichnet werden durfte, musste der Aktienkurs ein neues 52-Wochenhoch, besser noch ein Allzeithoch erreichen. Zwischen dem 52-Wochentief und dem 52-Wochenhoch müssen mindestens 100 Prozent liegen. Dieses Kriterium stellte sicher, dass die Aktie bereits eine signifikante Performance gezeigt hatte und sich in einem etablierten Aufwärtstrend befand. Darvas interessierte sich nicht für “günstige” Aktien oder vermeintliche Schnäppchen – er wollte Gewinner kaufen, die immer weiter steigen.

Er setzte somit, wie auch Jesse Livermore oder Michael Burry auf steigende Aktien. Er handelte prozyklisch und erlag nicht dem weit verbreiteten Alltime-High-Bias, denn viele Anleger trauen ungerechtigterweise einer Aktie kein weiteres Kurspotenzial zu, wenn diese bereits Höchststände erreicht hat. Darvas erkannte jedoch, dass starke Aktien oft weiter steigen, während schwache Aktien oft weiter fallen – ein Prinzip, das heute als “Momentum-Investing” bekannt ist und wissenschaftlich gut dokumentiert ist.

Darvas Box – Obere Begrenzung definieren

Wird ein neuer Höchstkurs erreicht, müssen die nächsten drei Kerzen (bei Verwendung eines Candlestick-Charts) oder Tage unterhalb des Höchststandes notieren. Dies signalisiert, dass der Kurs nach oben hin auf Widerstand gestoßen ist und eine Konsolidierung beginnt. Überschreitet beispielsweise die zweite Kerze den ursprünglichen Höchstkurs, dann wird das neue Hoch zur oberen Begrenzung. Vorausgesetzt, die nächsten drei Kerzen notieren unterhalb des zuvor erreichten Hochpunktes.

Diese Regel mag auf den ersten Blick kompliziert erscheinen, folgt aber einer einfachen Logik: Darvas wollte sicherstellen, dass der Markt tatsächlich ein temporäres Hoch gefunden hat und nicht einfach weiter steigt. Die Drei-Tages-Regel gab ihm die Bestätigung, dass eine echte Konsolidierungsphase begonnen hatte.

Darvas Box – Untere Begrenzung definieren

Sobald die obere Begrenzung eingezeichnet wurde, wird analog dazu ein Tiefpunkt in der Korrektur oder Konsolidierung gesucht. Sobald ein Tief an drei aufeinanderfolgenden Tagen nicht unterschritten wird, gilt es als untere Begrenzung und die Box ist komplett definiert. Nicolas Darvas handelte primär im Tageschart. Die Methode ist aber sowohl in kleineren als auch in größeren Zeiteinheiten anwendbar – viele moderne Trader verwenden die Darvas-Box-Strategie erfolgreich auf Wochencharts oder sogar Monatscharts.

Liegt eines der drei nächsten Tiefs oberhalb der oberen Begrenzung, dann gilt die Box als nicht konstruiert – die Aktie ist einfach weiter gestiegen, ohne eine echte Konsolidierung zu bilden. In diesem Fall muss gewartet werden, bis sich eine neue Box bildet.

Das Schöne an dieser Methode ist ihre objektive Natur: Es gibt klare Regeln, wann eine Box gültig ist und wann nicht. Dies eliminiert subjektive Interpretationen und emotionale Entscheidungen weitgehend.

Darvas Box – Einstieg mit Buy-Stop-Order

Der Einstieg erfolgt über eine Buy-Stop-Order auf dem Niveau der oberen Begrenzung der Box. Sobald also ein Breakout nach oben stattfindet und der Kurs die obere Begrenzung durchbricht, wird die Order automatisch ausgeführt. Dies war revolutionär für die damalige Zeit und zeigt Darvas’ Verständnis für systematisches Trading.

Das Volumen sollte beim Breakout deutlich ansteigen, sonst kann es sich um einen Fehlausbruch handeln. Ein steigendes Volumen bestätigt, dass echtes Kaufinteresse hinter der Bewegung steht und nicht nur einige wenige Marktteilnehmer den Kurs nach oben treiben. Diese Erkenntnis ist heute wahrscheinlich noch viel wichtiger als zu Zeiten von Darvas, da moderne Märkte anfälliger für manipulative Bewegungen und algorithmischen Handel sein können.

Für ihn war diese Herangehensweise sehr komfortabel, denn er konnte trotz seiner weltweiten Tanztourneen die Trades im Voraus planen. Er musste nicht ständig die Märkte beobachten – die Broker führten seine Orders automatisch aus, wenn die Bedingungen erfüllt waren. Dies war ein enormer Vorteil für jemanden, der oft in Zeitzonen ohne Zugang zu aktuellen Kursinformationen arbeitete.

Darvas Box – Ausstieg und Risikomanagement

Nicolas Darvas war einer der wenigen Trader seiner Zeit, die frühzeitig erkannten, dass das konsequente Begrenzen von Verlusten essenziell wichtig für den langfristigen Börsenerfolg ist. Während viele seiner Zeitgenossen hofften und beteten, dass sich verlierende Positionen wieder erholen würden, schnitt Darvas seine Verluste sofort ab. Deshalb platzierte er bei der unteren Begrenzung der Box den Stop-Loss. Wurde diese Linie unterschritten, war für ihn klar, dass seine Hypothese über die Aktie falsch war und er aussteigen musste.

Er arbeitete so konsequent und erfolgreich mit der Verlustbegrenzung, dass zwischenzeitlich der Stop-Loss von den Brokern abgeschafft wurde – sie hatten Schwierigkeiten, die vielen automatischen Orders zu verwalten, und einige verdächtigten Darvas sogar der Marktmanipulation. Erst durch einen Protest anderer Händler, die ebenfalls diese Möglichkeit nutzen wollten, wurden solche Aufträge wieder angenommen.

Seinen Stop-Loss zog er systematisch von Box zu Box nach. Bildete sich eine neue Box auf höherem Niveau, verschob er auch seinen Stop-Loss auf die untere Begrenzung der neuen Box. So sicherte er Gewinne ab und ließ gleichzeitig seine Gewinne laufen – das klassische Prinzip erfolgreichen Tradings: “Cut your losses short, let your profits run.”

Er war fest davon überzeugt, dass es vollkommen unwichtig ist, wie viele potenzielle Chancen jemand verpasst oder wie oft man aus einem Trade ausgestoppt wird, aber es ist verdammt wichtig, seine Verluste konsequent zu begrenzen und niemals eine kleine Position zu einem großen Verlust werden zu lassen. Diese Philosophie rettete ihm mehrfach sein Kapital und ermöglichte es ihm, im Spiel zu bleiben, wenn andere bereits ausgeschieden waren.

Strategie entwickelt – Jetzt werden Millionen gemacht: Die erfolgreichen Jahre

Im Jahre 1954 ging Darvas für mehrere Jahre auf Welttournee. Bis April 1957 wurden seine Positionen systematisch mit Hilfe des Stop-Loss verkauft, wenn sie die untere Box-Begrenzung unterschritten. Sein Vermögen betrug zu diesem Zeitpunkt 37.000 Dollar – ein solider Start, aber noch weit entfernt von seinem späteren Erfolg.

In den nächsten Jahren, zwischen 1957 und 1958, verloren viele erfahrene Händler an der Wall Street erhebliche Summen oder sogar ihr gesamtes Kapital. Als der 34. Präsident der USA, Dwight D. Eisenhower, 1957 einen Schlaganfall erlitt, machten sich Investoren und die breite Öffentlichkeit große Sorgen, ob der beeindruckende Wirtschaftsaufschwung der vergangenen Jahre so weitergehen würde. Die Verunsicherung wurde komplett, als die UdSSR am vierten Oktober 1957 den ersten künstlichen Satelliten Sputnik I erfolgreich in den Weltraum beförderten – ein Schock für das amerikanische Selbstverständnis.

Die USA konnte sich plötzlich nicht mehr auf ihre vermeintliche technologische Überlegenheit verlassen und es begann ein intensiver Wettlauf um die Eroberung des Weltalls, der sogenannte “Space Race”. Während in diesem turbulenten Jahr der Dow Jones Index von 499,5 auf 435,70 Punkte fiel – ein Rückgang von etwa 13 Prozent – war Darvas kaum oder gar nicht investiert. Der Grund lag klar auf der Hand: Die Aktien erreichten aufgrund der Marktschwäche keine neuen Jahreshochs, da diese von der negativen Stimmung und den Zukunftsängsten an den Märkten stark beeinflusst wurden. Seine Strategie hielt ihn automatisch aus dem Markt heraus und bewahrte ihn vor erheblichen Verlusten.

Ende 1957 befand sich Darvas während seiner Tournee in Saigon, der damaligen Hauptstadt Südvietnams, und musste seine Strategie leicht adaptieren und verfeinern. Fortan stieg er auch in Aktien ein, die zwar noch kein 52-Wochenhoch erreicht hatten, aber nach seiner Analyse fundamental unterbewertet waren und in einem zukunftsträchtigen, wachstumsstarken Geschäftsfeld tätig waren. Er kombinierte also seine technische Box-Strategie mit fundamentalen Überlegungen – eine Synthese, die sich als äußerst erfolgreich erweisen sollte.

Die nächsten beiden Jahre, 1958 und 1959, liefen im Dow Jones außerordentlich gut und er hatte aufs richtige Pferd gesetzt. Der Markt erholte sich kräftig von den Verlusten des Vorjahres. Darvas konnte in dieser Phase sein Vermögen spektakulär vermehren – je nach Quelle auf 200.000 bis 2 Millionen Dollar. Sein unfassbares Können, seine Disziplin und seine innovative Methodik fasste er schließlich in einem Buch mit dem legendären Titel „How I Made $2,000,000 in the Stock Market” zusammen, das 1960 veröffentlicht wurde und zu einem der meistverkauften Börsenbücher aller Zeiten werden sollte.

Übertrieb Darvas – 2.000.000$ oder 200.000$? Die Kontroverse

Das Buch von Darvas schlug ein wie eine Bombe in der Finanzwelt und rief prompt den New Yorker Generalstaatsanwalt Louis Lefkowitz auf den Plan. In einer Zeit, in der die Börsenaufsicht besonders wachsam gegenüber möglichen Betrügereien war, untersuchte Lefkowitz die Behauptungen im Buch genau. Er warf Darvas letztlich „Verfälschung durch Auslassung” (misrepresentation by omission) vor – also das absichtliche Weglassen wichtiger Informationen.

Am Ende der Untersuchung waren “nur” 210.000 Dollar Gewinn eindeutig und zweifelsfrei nachweisbar. Die Summe ist zwar dennoch außerordentlich beachtlich und würde inflationsbereinigt heute mehreren Millionen Dollar entsprechen, aber sie liegt weit von den behaupteten zwei Millionen Dollar entfernt. Kritiker argumentieren, dass Darvas möglicherweise unrealisierte Gewinne mitgezählt hatte oder bestimmte Verluste nicht berücksichtigt hatte.

Beide Parteien haben sich schließlich außergerichtlich geeinigt, die Details dieser Einigung wurden nie öffentlich bekannt. Darvas verließ daraufhin die USA und zog nach Paris, Frankreich, wo er weiterhin als Tänzer arbeitete und seine Handelsmethoden verfeinerte. Er lebte dort bis zu seinem Tod im Jahr 1977 im Alter von etwa 57 Jahren.

Trotz dieser Kontroverse bleibt festzuhalten, dass selbst die nachweisbare Summe von über 200.000 Dollar – in wenigen Jahren aus einem Startkapital von wenigen tausend Dollar erwirtschaftet – eine außergewöhnliche Leistung darstellt, die nur wenigen Tradern gelingt.

Nicolas Darvas – Ein Pionier mit bleibendem Vermächtnis

Darvas war, unabhängig von der genauen und tatsächlichen Höhe seiner Gewinne, zweifellos sehr erfolgreich an der Börse. Noch heute, über sechs Jahrzehnte nach der Entwicklung seiner Methode, können Trader und Investoren viel von ihm lernen.

Sein wichtigstes Vermächtnis ist die Erkenntnis, dass er sich einen Tradingstil überlegt und entwickelt hat, der perfekt zu seiner Persönlichkeit, seiner Lebenssituation und seinen Stärken passte. Er versuchte nicht, andere erfolgreiche Trader zu kopieren, sondern entwickelte einen eigenen Ansatz, der seinen Bedürfnissen entsprach. Als reisender Künstler brauchte er eine Methode, die nicht ständige Marktbeobachtung erforderte – und genau das schuf er.

Sein Ansatz als Ganzes ist ebenfalls äußerst spannend und lehrreich, auch wenn er heute für moderne Märkte vielleicht in bestimmten Aspekten modifiziert oder angepasst werden müsste. Die Grundprinzipien – Trendfolge, klare Ein- und Ausstiegsregeln, konsequentes Risikomanagement – bleiben jedoch zeitlos gültig.

Er erkannte und systematisierte Seitwärtsbewegungen in Trends und handelte nach einem absolut klaren, objektiven Regelwerk, das keinen Raum für emotionale Entscheidungen ließ. Er war ein echter Pionier der technischen Analyse und des systematischen Tradings. Für mich und viele andere Trader ist er bis heute ein Vorbild und eine Inspiration.

Die Darvas-Box-Methode wird auch heute noch von professionellen Tradern verwendet, oft in Kombination mit modernen Indikatoren und Risk-Management-Tools. Seine Bücher werden weiterhin gelesen und studiert. Sein Erbe lebt fort in jedem Trader, der Stop-Loss-Orders verwendet, Trends folgt und nach klaren Regeln handelt – Konzepte, die Darvas mitgeprägt und popularisiert hat.

Nicolas Darvas hat bewiesen, dass man kein Wall-Street-Insider, kein Finanzprofessor und kein Vollzeit-Trader sein muss, um an der Börse erfolgreich zu sein. Mit Disziplin, einem systematischen Ansatz und der Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen, ist außergewöhnlicher Erfolg möglich – eine Botschaft, die heute genauso relevant ist wie in den 1950er Jahren.

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Martin B.

Martin ist Tradingcoach und unter anderem Mitbegründer der Trademy Trading Akademie. Zudem ist Martin Kolumnist bei Wallstreet-Online.de, Sharewise und anderen großen Finanzplattformen sowie Buchautor. Insofern also ein Experte im Bereich Trading und allem, was mit Geldanlage & Börse zu tun hat. Großen Einfluss auf sein ökonomisches Weltbild haben die Publikationen von Karl-Heinz Paqué und Joseph Schumpeter. Als Börsianer inspirieren ihn die Ansätze von Buffett, Burry, Livermore und Lynch. Martin ist Gastautor bei uns und bereichert uns zweifelsohne mit seinem fundierten Börsenwissen.
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