Die Kreditvergabe ist seit jeher ein zentrales Geschäftsfeld im Finanzwesen. Nun könnte sie auch für Robo-Advisor eine entscheidende Rolle spielen. Mit der zunehmenden Digitalisierung der Vermögensverwaltung wird das Angebot an Finanzprodukten stetig breiter. Wertpapierkredite, auch Lombardkredite genannt, könnten dabei das Potenzial haben, sich als wichtige Einnahmequelle und Wettbewerbsvorteil zu etablieren. Doch wie funktioniert dieses Konzept, und warum ist es gerade für digitale Vermögensverwalter so vielversprechend?
Oliver S.
Zuletzt aktualisiert am: 3. Dezember 2024
25. Mai 2020
Ein Wertpapierkredit ist ein besicherter Kredit, bei dem das Depot des Anlegers als Sicherheit dient. Die Beleihungsgrenze richtet sich nach der Qualität und Art der im Depot enthaltenen Wertpapiere. Typische Beleihungswerte sehen wie folgt aus:
Diese Beleihungswerte sind jedoch nicht fix und können je nach Anbieter und Depotzusammensetzung variieren. Einige Broker und Banken berücksichtigen zudem die Volatilität der Märkte und unterscheiden zwischen Staats- und Unternehmensanleihen, aktiv gemanagten Fonds und ETFs oder Aktien aus Schwellen- und Industrieländern.
Statistiken zeigen, dass allein in Deutschland etwa 6,8 Millionen Anleger ein Wertpapierdepot besitzen (Stand 2023). Rund 22 % dieser Anleger sind regelmäßig auf der Suche nach kurzfristigen Finanzierungsmöglichkeiten, etwa zur Deckung unerwarteter Ausgaben oder zur Nutzung von Anlagechancen.
Traditionelle Banken bieten seit Jahrzehnten Lombardkredite an, doch ihre Prozesse sind oft zeitintensiv und wenig flexibel. Robo-Advisor könnten diesen Markt mit ihren technologischen Vorteilen disruptieren. Wealthfront Inc., ein führender US-amerikanischer Anbieter, zeigt, wie es geht:
Statistiken aus den USA untermauern das Potenzial: Wealthfront verzeichnete im ersten Jahr nach Einführung seines Kreditprogramms eine Steigerung der Kundenzufriedenheit um 15 % und eine Umsatzsteigerung von 12 %. Zudem nutzen mittlerweile 18 % der Wealthfront-Kunden das Kreditangebot.
In Europa stehen Robo-Advisor wie Scalable Capital, growney oder Investify noch am Anfang einer möglichen Diversifizierung in den Kreditmarkt. Die Potenziale sind jedoch beträchtlich:
Trotz der Chancen gibt es auch Herausforderungen. Eine zentrale Frage lautet: Wie reagieren Kunden auf das erweiterte Angebot? Kritiker argumentieren, dass Robo-Advisor durch die Einführung von Krediten ihr ursprüngliches Versprechen – die einfache und transparente Vermögensverwaltung – verwässern könnten.
Ein weiteres Risiko ist die Abhängigkeit vom Kapitalmarkt: Sinkt der Wert der Portfolios, können Nachbesicherungen erforderlich werden, was für Anleger problematisch ist. Untersuchungen zeigen, dass bei stark volatilen Märkten bis zu 15 % der Kunden Schwierigkeiten mit Nachschusspflichten haben könnten.
Der Wertpapierkredit könnte sich langfristig als ein zentraler Bestandteil des Geschäftsmodells von Robo-Advisor etablieren. Der europäische Markt, der im Jahr 2023 ein verwaltetes Vermögen von 32 Milliarden Euro verzeichnete, könnte bis 2030 auf über 100 Milliarden Euro anwachsen. Ein diversifiziertes Angebot, das auch Kreditlösungen umfasst, könnte diese Entwicklung weiter beschleunigen.
Besonders attraktiv sind die Vorteile für Kunden:
Wertpapierkredite bieten Robo-Advisorn die Möglichkeit, sich nicht nur als Vermögensverwalter, sondern auch als umfassende Finanzdienstleister zu positionieren. Das Potenzial ist enorm, doch der Erfolg wird davon abhängen, wie gut Anbieter das Konzept umsetzen und dabei die Bedürfnisse ihrer Kunden im Fokus behalten. Transparenz, Effizienz und ein solides Risikomanagement sind die Schlüsselfaktoren, um das Vertrauen der Anleger zu gewinnen.
Mit einem Markt, der sowohl in den USA als auch in Europa Wachstumssignale sendet, könnten Wertpapierkredite schon bald als Standardangebot bei Robo-Advisorn etabliert sein. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob und wie europäische Anbieter diesen Trend aufgreifen.
Oliver S.
Oliver ist der Journalist im Team. Ausgebildeter Banker (Hypo Vereinsbank), hat hohes Maß an spezifischem Finanzwissen und ist einer der bekanntesten Schreiberlinge in der Finanz-Szene. Er das Thema Finanzen in einer Leichtigkeit, die seinesgleichen sucht. Nicht ohne Grund hat Oliver unter anderem auch für die Huffington Post geschrieben. Zudem ist er bis heute auch als Redakteur für FTD.de (ex Financial Times Deutschland) als auch auf Unternehmerhandbuch.de tätig. Kümmert sich hier um alles, was mit dem Thema Finanzwissen, Interviews und News zu tun hat.
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