Die Welt der Geldanlage gleicht oft einem komplexen Labyrinth, in dem Anleger vor wegweisenden Entscheidungen stehen. Eine der grundlegendsten Fragen dabei? Aktive Anlagestrategie oder doch lieber passive Anlagestrategie? Vergleichbar mit der Entscheidung zwischen einem erfahrenen Bergführer, der aktiv nach dem besten Weg zum Gipfel sucht, und einer gut ausgeschilderten Route, der man systematisch folgen kann. In Zeiten, in denen Robo-Advisor diese beiden Anlagestrategien durch modernste Technologie für jedermann zugänglich machen, gewinnt diese Entscheidung zusätzlich an Bedeutung. Dieser Ratgeber beleuchtet die Vor- und Nachteile beider Ansätze und zeigt auf, welche Strategie sich für welchen Anlegertyp am besten eignet – denn wie so oft im Leben gibt es auch hier nicht die eine perfekte Lösung für alle.
Oliver S.
6. November 2017
6. November 2017
Die Digitalisierung hat die Finanzwelt grundlegend verändert. Was früher den vermögenden Kunden der Privatbanken vorbehalten war, steht heute dank innovativer Technologien einer breiten Masse von Anlegern zur Verfügung: die professionelle Vermögensverwaltung. Robo-Advisor haben diesen Demokratisierungsprozess maßgeblich vorangetrieben. Sie kombinieren modernste Algorithmen mit bewährten Anlagestrategien und machen damit professionelles Portfoliomanagement für jedermann zugänglich.
Der deutsche Markt für digitale Vermögensverwaltung hat in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen. Während 2019 erst rund 4 Milliarden Euro über Robo-Advisor verwaltet wurden, hat sich diese Summe bis Ende 2023 nahezu vervierfacht. Mehr als 15 Milliarden Euro vertrauen Anleger mittlerweile den digitalen Vermögensverwaltern an. Branchenexperten der Deutschen Bank prognostizieren bis 2026 ein jährliches Wachstum von durchschnittlich 25 Prozent. Diese dynamische Entwicklung spiegelt das wachsende Vertrauen der Anleger in automatisierte Anlagestrategien wider.
Im Bereich des aktiven Managements verfolgen Robo-Advisor einen hochdifferenzierten Ansatz. Die Portfoliomanager analysieren kontinuierlich Unternehmenskennzahlen, Branchentrends und makroökonomische Entwicklungen. Dabei nutzen sie hochentwickelte Algorithmen, die Tausende von Datenpunkten in Echtzeit auswerten. Diese Technologie ermöglicht es ihnen, schnell auf Marktveränderungen zu reagieren und das Portfolio entsprechend anzupassen.
Solidvest beispielsweise, ein führender Anbieter im Bereich des aktiven Managements, setzt auf Direktinvestments in sorgfältig ausgewählte Einzelaktien. Ihr Investmentprozess basiert auf einer Kombination aus fundamentaler Analyse und quantitativen Modellen. Das Portfoliomanagement-Team untersucht dabei nicht nur klassische Kennzahlen wie KGV oder Dividendenrendite, sondern bezieht auch Faktoren wie ESG-Scores und Momentum-Indikatoren in die Anlageentscheidungen ein.
Die Corona-Krise 2020 demonstrierte eindrucksvoll die Flexibilität aktiver Strategien. Als die Märkte im März einbrachen, reagierte beispielsweise Vividam, ein weiterer namhafter Anbieter, mit einer raschen Portfolioanpassung. Das Unternehmen erhöhte den Cash-Anteil temporär auf 30 Prozent und schichtete verstärkt in defensive Sektoren wie Gesundheit und Basiskonsumgüter um. Diese taktische Asset-Allocation erwies sich als vorteilhaft, als die Märkte sich im weiteren Jahresverlauf erholten.
Der passive Investmentansatz fußt auf jahrzehntelanger Finanzmarktforschung. Die Efficient Market Hypothesis, für die Eugene Fama 2013 den Nobelpreis erhielt, bildet das theoretische Fundament. Sie besagt, dass Märkte alle verfügbaren Informationen effizient verarbeiten und in den Kursen abbilden. Folglich sei es äußerst schwierig, den Markt systematisch zu schlagen.
Ginmon, einer der Pioniere im deutschen Robo-Advisory-Markt, hat diesen wissenschaftlichen Ansatz konsequent in seine Anlagestrategie implementiert. Das Unternehmen nutzt ein regelbasiertes Portfolio-Management-System, das auf der modernen Portfoliotheorie basiert. Statt zu versuchen, unterbewertete Einzeltitel zu identifizieren, streut Ginmon das Anlagekapital breit über verschiedene Anlageklassen, Regionen und Sektoren. Diese systematische Diversifikation erfolgt kosteneffizient über ETFs.
Die langfristigen Ergebnisse sprechen eine deutliche Sprache: Eine aktuelle Studie der Deutschen Börse aus dem Jahr 2023 analysierte die Performance von über 2.000 aktiv gemanagten Fonds über einen Zeitraum von 15 Jahren. Das ernüchternde Ergebnis: Nur etwa jeder zehnte aktive Fonds schaffte es, seinen Vergleichsindex nach Kosten zu übertreffen. Diese empirische Evidenz unterstreicht die Attraktivität passiver Anlagestrategien.
Die Kostenstruktur spielt eine zentrale Rolle für den langfristigen Anlageerfolg. Bei aktiven Strategien summieren sich die jährlichen Gesamtkosten häufig auf 1,5 bis 2,5 Prozent des verwalteten Vermögens. Diese setzen sich aus der Basis-Verwaltungsgebühr, einer eventuellen Erfolgsgebühr und den Handelskosten zusammen. Bei einem Investment von 100.000 Euro bedeutet dies jährliche Kosten von 1.500 bis 2.500 Euro.
Passive Robo-Advisor arbeiten deutlich kosteneffizienter. Ihre Gesamtkostenquote liegt typischerweise zwischen 0,5 und 1,1 Prozent pro Jahr. Bei der gleichen Anlagesumme fallen also nur 500 bis 1.100 Euro an Kosten an. Dieser Kostenvorteil von rund einem Prozentpunkt pro Jahr mag auf den ersten Blick gering erscheinen. Über einen Anlagehorizont von 20 oder 30 Jahren entwickelt er jedoch eine enorme Hebelwirkung auf das Endvermögen.
Die Betrachtung historischer Performancedaten offenbart interessante Muster in der Entwicklung verschiedener Anlagestrategien. Aktive Robo-Advisor verzeichneten in den vergangenen Jahren eine durchschnittliche Volatilität von 15 bis 25 Prozent per annum. Diese erhöhte Schwankungsbreite resultiert aus den taktischen Portfolioumschichtungen und der konzentrierteren Titelauswahl. In Phasen stark steigender Märkte, wie beispielsweise während der Post-Covid-Erholung 2020/2021, konnten einige aktive Manager beeindruckende Überrenditen erzielen. Der Robo-Advisor Estably etwa erreichte in diesem Zeitraum eine Outperformance von mehr als sechs Prozentpunkten gegenüber seiner Benchmark.
Allerdings birgt der aktive Ansatz auch spezifische Risiken. Die Gefahr von Timing-Fehlern ist nicht zu unterschätzen. Als im Frühjahr 2020 die Märkte einbrachen, reduzierten viele aktive Manager ihre Aktienquote. Einige verpassten dadurch die anschließende schnelle Erholung. Dieses Beispiel verdeutlicht das sogenannte Market-Timing-Risiko – die Herausforderung, sowohl den optimalen Ausstiegs- als auch den Wiedereinstiegszeitpunkt zu bestimmen.
Passive Strategien weisen im Vergleich dazu ein moderateres Risikoprofil auf. Die Volatilität bewegt sich typischerweise zwischen 10 und 18 Prozent jährlich. Diese geringere Schwankungsbreite resultiert aus der breiteren Diversifikation und dem Verzicht auf taktische Marktpositionierungen. Growney beispielsweise, ein Verfechter des passiven Ansatzes, erzielte mit dieser Strategie seit Auflage eine sehr stabile Performance, die weitgehend parallel zur Marktentwicklung verlief.
Ein oft unterschätzter Faktor bei der Wahl der Anlagestrategie ist die psychologische Komponente. Aktives Management erfordert von Anlegern ein hohes Maß an emotionaler Stabilität. Die häufigeren Portfolioanpassungen und die damit verbundenen Performanceschwankungen können zu Verunsicherung führen. Studien der Verhaltensökonomie zeigen, dass Anleger Verluste etwa doppelt so stark gewichten wie Gewinne. Diese “Verlustaversion” führt häufig zu überstürzten Verkaufsentscheidungen in Stressphasen.
Passive Strategien hingegen unterstützen einen ruhigeren Anlagestil. Der Verzicht auf Market Timing und die breite Diversifikation machen es für Anleger einfacher, auch in turbulenten Marktphasen investiert zu bleiben. Quirion, einer der größten deutschen Robo-Advisor, beobachtet bei seinen Kunden mit passiver Strategie eine deutlich höhere Haltedauer und geringere Tendenz zu emotionalen Anlageentscheidungen.
Die technologische Infrastruktur spielt eine zunehmend wichtige Rolle bei der Qualität der Vermögensverwaltung. Moderne Robo-Advisor investieren massiv in die Weiterentwicklung ihrer Algorithmen. Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen ermöglichen eine immer präzisere Portfoliooptimierung. Aktive Manager nutzen diese Technologien, um Marktineffizienzen aufzuspüren und Handelssignale zu generieren. Passive Anbieter fokussieren sich dagegen auf die Optimierung ihrer Rebalancing-Prozesse und die Minimierung von Handelskosten.
Ein Beispiel für technologische Innovation ist das Risk-Management-System von Ginmon. Es analysiert täglich über 200.000 Datenpunkte und passt die Portfoliogewichtung automatisch an veränderte Marktrisiken an. Dabei bleiben die Grundprinzipien des passiven Investierens – breite Diversifikation und Kosteneffizienz – gewahrt. Diese Form der “intelligenten Passivität” könnte den Weg in die Zukunft des Robo-Advisory weisen.
Der Robo-Advisory-Markt befindet sich in stetiger Evolution. Neue Anlagethemen wie ESG-Investing und thematische ETFs erweitern das Spektrum der Anlagemöglichkeiten. Aktive Manager integrieren vermehrt KI-gestützte Analysewerkzeuge in ihre Entscheidungsprozesse. Passive Anbieter experimentieren mit Smart-Beta-Strategien, die systematische Faktoren wie Value oder Momentum ausnutzen.
Die Grenzen zwischen aktiv und passiv verschwimmen zusehends. Hybride Ansätze gewinnen an Bedeutung. Diese kombinieren die Kosteneffizienz passiver Kernportfolios mit aktiven Satellitenstrategien für ausgewählte Marktsegmente. Visualvest etwa bietet seinen Kunden seit kurzem die Möglichkeit, das passive Basisportfolio durch aktiv gemanagte Themeninvestments zu ergänzen.
Die Wahl zwischen aktiver und passiver Anlagestrategie sollte wohlüberlegt erfolgen. Die empirische Evidenz spricht für die meisten Privatanleger für einen überwiegend passiven Ansatz. Die niedrigeren Kosten und die breite Diversifikation bieten ein attraktives Rendite-Risiko-Profil. Zudem entlastet der Verzicht auf Market Timing die Anleger emotional.
Dennoch haben auch aktive Strategien ihre Berechtigung. Insbesondere für vermögendere Anleger mit längerfristigem Horizont können sie eine sinnvolle Option darstellen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der realistischen Einschätzung der eigenen Risikotragfähigkeit und der Bereitschaft, auch schwierige Marktphasen durchzustehen.
Die erfreuliche Entwicklung des Robo-Advisory-Marktes hat zu einer nie dagewesenen Vielfalt an Anlagemöglichkeiten geführt. Diese Transformation der Vermögensverwaltung wird sich fortsetzen. Anleger profitieren von sinkenden Kosten, steigender Transparenz und immer ausgefeilteren Anlagestrategien. Die Zukunft gehört vermutlich hybriden Ansätzen, die das Beste aus beiden Welten vereinen.
Oliver S.
Oliver ist der Journalist im Team. Ausgebildeter Banker (Hypo Vereinsbank), hat hohes Maß an spezifischem Finanzwissen und ist einer der bekanntesten Schreiberlinge in der Finanz-Szene. Er das Thema Finanzen in einer Leichtigkeit, die seinesgleichen sucht. Nicht ohne Grund hat Oliver unter anderem auch für die Huffington Post geschrieben. Zudem ist er bis heute auch als Redakteur für FTD.de (ex Financial Times Deutschland) als auch auf Unternehmerhandbuch.de tätig. Kümmert sich hier um alles, was mit dem Thema Finanzwissen, Interviews und News zu tun hat.
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Zuletzt aktualisiert am 22. November 2024 by Redaktion