Robo-Advisor = alter Wein in neuen Schläuchen....
oder?

Die digitale Revolution hat die Finanzbranche grundlegend verändert, und wenige Innovationen haben so viel Aufmerksamkeit erregt wie Robo-Advisor. Doch während die einen darin die Demokratisierung der Vermögensverwaltung sehen, bezeichnen andere sie als Marketing-Gag. Besonders Investment-Legenden wie Jim Rogers äußern sich skeptisch gegenüber diesen digitalen Vermögensverwaltern. Doch woher kommt diese Skepsis, und wie berechtigt ist sie wirklich?

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Markus G

5. November 2017

Robo-Advisor sind Schrott

5. November 2017

Die Entstehung einer neuen Anlageklasse

Nach der Finanzkrise 2008 war das Vertrauen in traditionelle Finanzinstitute erschüttert. Gleichzeitig wuchs eine neue, digital-affine Generation heran, die nach kostengünstigen und transparenten Anlagemöglichkeiten suchte. In diese Lücke stießen Robo-Advisor vor. Sie versprachen eine professionelle Vermögensverwaltung zu einem Bruchteil der üblichen Kosten – meist zwischen 0,5% und 1% pro Jahr, während klassische Vermögensverwalter oft 2% und mehr berechnen.

Kritik der Investment-Legenden

Jim Rogers, bekannt für seinen scharfen Blick auf Markttrends, kritisiert vor allem die vermeintliche Vereinfachung komplexer Anlageentscheidungen.

“Märkte sind nicht linear und folgen keinen starren Regeln”, argumentiert er.

Seine Kritik stützt sich auf mehrere fundamentale Beobachtungen: Zunächst bemängelt er, dass die verwendeten Algorithmen grundsätzlich rückwärtsgewandt agieren und damit unerwartete Marktereignisse nicht antizipieren können. Die COVID-19-Pandemie hat diese Schwäche deutlich offenbart, als viele Robo-Advisor zu spät auf die Marktturbulenzen reagierten. 

Des Weiteren sieht Rogers ein zentrales Problem in der standardisierten Herangehensweise der digitalen Vermögensverwalter. Diese werden den individuellen Bedürfnissen der Anleger, die sich aus persönlichen Umständen wie beruflicher Situation, familiärer Planung oder spezifischen Anlagezielen ergeben, nicht gerecht. Ein besonders kritischer Punkt ist für ihn das Fehlen eines Fehlen eines persönlichen Ansprechpartners in Krisenzeiten. Gerade wenn Märkte stark fallen, brauchen Anleger oft eine beruhigende Stimme der Vernunft, die sie von überhasteten, emotionalen Entscheidungen abhält – eine Rolle, die ein Algorithmus nicht übernehmen kann.

Erfolgsgeschichten und Realität bei Robo-Advisorn

Trotz der Kritik gibt es durchaus Erfolgsgeschichten. Scalable Capital, einer der größten europäischen Robo-Advisor, verwaltete 2023 bereits über 10 Milliarden Euro und erzielte seit Gründung eine durchschnittliche jährliche Rendite von 5,2% (nach Kosten). Auch Vanguard Personal Advisor Services in den USA zeigt mit über 200 Milliarden Dollar verwaltetem Vermögen, dass das Konzept funktionieren kann.

Dennoch offenbart ein genauerer Blick: Die Leistung der Robo-Advisor unterscheidet sich in “normalen” Marktphasen kaum von klassischen ETF-Portfolios. Der wahre Mehrwert zeigt sich in verschiedenen systematischen Aspekten: Ein wesentlicher Vorteil liegt im automatischen Rebalancing, das emotions- und zeitunabhängig die ursprüngliche Asset-Allokation wiederherstellt. Studien zeigen, dass dieses systematische Vorgehen allein bereits zu einer Performanceverbesserung von durchschnittlich 0,4% pro Jahr führen kann. 

Eine weitere Stärke liegt in der kontinuierlichen Steueroptimierung durch systematisches Tax-Loss-Harvesting. Dabei werden Verluste gezielt realisiert, um sie steuerlich geltend zu machen, während gleichzeitig ähnliche Positionen aufgebaut werden. Diese Strategie kann die Nachsteuerrendite um bis zu 0,6% jährlich verbessern. Nicht zuletzt bieten Robo-Advisor eine konstante Überwachung und Anpassung der Asset-Allokation, die bei veränderten Marktbedingungen oder Risikoparametern automatisch erfolgt – ein Service, der bei klassischen Vermögensverwaltern oft nur quartalweise durchgeführt wird.

Robo-Advisor: Zielgruppen und Limitationen

Die Nutzerstruktur von Robo-Advisorn zeigt eine klare Segmentierung: Eine zentrale Zielgruppe sind digital-affine Einsteiger mit kleinem bis mittlerem Anlagevermögen zwischen 5.000 und 50.000 Euro. Diese Gruppe schätzt besonders die niedrigen Einstiegshürden und die intuitive digitale Nutzererfahrung. Die zweite Hauptzielgruppe bilden beschäftigte Berufstätige, die ihre Geldanlage aufgrund von Zeitmangel “auslagern” möchten. Sie profitieren von der automatisierten Verwaltung und der zeitlichen Flexibilität des digitalen Angebots.

Gleichzeitig gibt es Anlegergruppen, für die Robo-Advisor weniger geeignet sind: Vermögende Anleger mit komplexen Anforderungen benötigen oft eine umfassendere Beratung, die auch Aspekte wie Nachlassplanung oder internationale Steueroptimierung einschließt. Investoren, die aktiv in Einzeltitel investieren möchten, finden in den standardisierten ETF-Portfolios der Robo-Advisor nicht die gewünschte Flexibilität. Menschen mit hohem Beratungsbedarf vermissen zudem oft den persönlichen Kontakt und die Möglichkeit, individuelle Fragen und Bedenken im direkten Gespräch zu klären.

Die technologische Realität hinter dem Marketing

Entgegen der häufigen Marketing-Darstellung basieren heutige Robo-Advisor nicht auf komplexer künstlicher Intelligenz, sondern auf relativ simplen, regelbasierten Algorithmen. Diese folgen meist der Modern Portfolio Theory und arbeiten mit einem klar definierten Instrumentarium: Die Basis bilden festgelegte Anlageuniversen, die sich hauptsächlich auf ETFs konzentrieren, da diese kostengünstig und hochliquide sind. Darauf aufbauend arbeiten die Systeme mit vordefinierten Risikokategorien, die durch Fragebögen ermittelt werden. Die eigentliche Portfoliokonstruktion erfolgt durch mathematische Modelle zur Portfoliooptimierung, die auf historischen Daten und Korrelationsanalysen basieren. Die Umsetzung erfolgt durch automatisierte Handelsprozesse, die effizienzorientiert und kostenminimierend agieren.

Diese technologische Realität erklärt auch die größte Schwäche der Robo-Advisor: Sie können nur innerhalb ihrer programmierten Parameter agieren und nicht kreativ auf völlig neue Marktsituationen reagieren. Dies wurde besonders in der Corona-Krise deutlich, als viele Systeme auf die extremen Marktverwerfungen nur mit ihren standardisierten Reaktionsmustern antworten konnten.

Fazit: Evolution statt Revolution

Robo-Advisor sind weder der von Marketing-Abteilungen beschworene Heilsbringer noch der von Kritikern befürchtete Untergang professioneller Vermögensverwaltung. Sie sind vielmehr eine zeitgemäße Evolution der klassischen ETF-basierten Vermögensverwaltung, die durch Automatisierung Kosten senkt und Prozesse standardisiert.

Ihre Stärken liegen in der Systematik, Kostensenkung und emotionslosen Umsetzung von Anlagestrategien. Ihre Schwächen offenbaren sich in der mangelnden Flexibilität und dem Fehlen menschlicher Urteilskraft in außergewöhnlichen Marktsituationen.

Für kostenbewusste Anleger, die eine grundsolide, regelbasierte Vermögensverwaltung suchen, können Robo-Advisor durchaus eine sinnvolle Option sein. Sie ersetzen jedoch nicht die umfassende Finanzberatung für komplexere Anforderungen und sind auch keine Garantie für überdurchschnittliche Renditen. Vielmehr sind sie ein modernes Werkzeug, das Anlegern beim systematischen Vermögensaufbau helfen kann – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

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Markus G

Markus ist der “Kopf” des Teams. Ideengeber, Vermarkter, Redakteur und irgendwie an allem auf diesem Portal beteiligt. Ohne ihn würde es dieses Portal so nicht geben. Eine Idee – entstanden aus dem persönlichen Interesse an FinTech und nun langjähriger Erfahrungen in der Finanz-Szene. Zudem ist Markus Kolumnist auf zahlreichen Online-Plattformen – vor allem im englischsprachigen Raum (The Verge, Talkmarkets, Stockopedia, aber u.a. auch auf Focus.de
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