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Robo Advisor vs. Klassische Anlageberatung – ein Direktvergleich

Vergleich RoboAdvisor - Vermögensverwaltung klassisch
Ratgeber - Robo Advisor vs. Klassische Anlageberatung » RoboAdvisor-Portal.com - das Infoportal

Julian L.

21. September 2017

Mit Robo Advisor Angeboten schicken sich FinTechs an, die Anlageberatung im Privatkundengeschäft zu revolutionieren – meinen Befürworter der neuen Kapitalanlage Angebote. Standardisierte und somit automatisierte Beratung führt zu Fehlentscheidungen und unkalkulierbaren Risiken und hilft am Ende niemandem, meinen die Skeptiker. Dabei entgegnen wiederum die Befürworter der digitalen Geldanlage, dass gerade der Einsatz ausgeklügelter Algorithmen menschlich emotional basierte Fehlentscheidungen vollständig ausklammert.

Was auf Dauer der digitalen Kapitalanlage eine deutlich bessere Rendite-Entwicklung bescheren wird. Doch wer hat nun recht? Sind Robo-Advisor Angebote “Teufelswerk”, das falsche Erwartungshaltungen weckt? Oder eben doch die Zukunft der Geldanlage und des Vermögensaufbaus darstellt? Wir haben klassische Anlageberatung und Robo Advisor Angebote einmal miteinander verglichen und einen Ausblick auf die künftige Entwicklung gewagt.

Die klassische Anlageberatung

Die klassische Anlageberatung erfolgt noch immer überwiegend in Bankfilialen, prinzipiell aber auch durch Direktbanken. Letztere korrespondieren mit ihren Klienten dann via E-Mail, Telefon oder Videochat. Der Ablauf der Beratung folgt einem recht eng gestrickten Muster, das sich nicht zuletzt an den gesetzlichen Vorgaben orientiert.

Ablauf der Beratung

Am Beginn der klassischen Bankberatung steht die Bedarfsanalyse und Risikoklasseneinstufung. Diese sieht zunächst eine Bestandsaufnahme zur finanziellen Situation des Kunden vor:


  • Wie hoch sind Einnahmen, Ausgaben und ergo laufende Überschüsse im privaten Budget?
  • Über welche Vermögenswerte (inklusive Rentenansprüche und selbstgenutzter Immobilien) verfügt der Kunde?
  • Welche finanziellen Ziele verfolgt der Kunde und über welchen Zeitraum sollen diese realisiert werden?
  • Geht es um den Aufbau einer privaten Altersvorsorge oder die Schaffung des Eigenkapitalanteils für eine eigene Immobilie?

Im Rahmen der Bedarfsanalyse werden zudem die bisherigen Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden mit verschiedenen Vermögensanlagen und seine individuelle Risikoneigung erfragt.

Im zweiten Schritt beantwortet der Berater Fragen des Kunden:


  • Was ist der Unterschied zwischen Fonds und ETFs?
  • Wie können Privatanleger Rohstoffe ins Portfolio aufnehmen?
  • Welche Konsequenz ergibt sich aus den niedrigen Zinssätzen?
  • Wie sind die Prognosen für einzelne Wirtschaftsräume?
  • In welchen Branchen lassen sich Investment-Schwerpunkte ausmachen?
  • Wie lässt sich das Risiko einer Aktienanlage einschätzen?
  • Wie lässt sich mein eingesetztes Kapital absichern?
  • Wie wird die Kapitalanlage steuerlich bewertet?

Im letzten Schritt präsentiert der Berater ein konkretes Angebot, das z.B. in einem Portfolio aus 70 % Blue Chip Aktien und 30 % Anleihen bestehen könnte und sich vollständig durch Investmentfonds oder ETFs umsetzen lässt. Der Kunde kann daraufhin entscheiden, ob das Kapitalanlage-Angebot umgesetzt werden soll oder nicht. 

Die Umsetzung erfolgt entweder durch die Filiale oder den Kunden am heimischen PC. Eine laufende Überwachung des Depots und die spätere Adjustierung erfolgt in der Regel nur auf abermaligen Beratungswunsch des Kunden hin, nicht aber automatisch.

Kosten und Vergütungsmodelle

In der klassischen (filialgestützten) Anlageberatung werden dem Kunden keine expliziten Gebühren für die Beratungstätigkeit in Rechnung gestellt (anders als z.B. in der Vermögensverwaltung). Bank und Berater verdienen Geld durch. die im Portfolio des Kunden platzierten Produkte. Nicht zuletzt deshalb sind Berater bei der provisionsbasierten Beratung geneigt, Produkte mit höheren Margen für die Bank zu empfehlen. 

Tendenziell werden deshalb häufiger aktiv verwaltete Investmentfonds, Anlagezertifikate etc. anstelle von ETFs empfohlen. Beim Kauf fallen deshalb häufig Ausgabeaufschläge von bis zu 5 % an. Zudem ist bei aktiv verwalteten Investmentfonds mit jährlichen Verwaltungsgebühren im Bereich von 1,50-2,0 % zu rechnen.

Sie hierzu auch den Artikel: Gebührenmodelle der Robo-Advisor

Eine Ausnahme bildet die Honorarberatung, die ausdrücklich NICHT zur klassischen Anklage-Beratung zählt. Hier erhält der Berater einen pauschalen Stundensatz und/oder einen prozentualen Wert des Portfolios als Vergütung. Im Gegenzug werden alle Provisionen, die Banken von Fondsgesellschaften, Emittenten und anderen Akteuren erhalten, an den Kunden ausgezahlt.

Zielgruppen der klassischen Anlageberatung

Die prädestinierte Zielgruppe der klassischen Anlageberatung besteht in Kunden, die ein persönliches Gespräch mit dem Berater anderen Kommunikationswegen vorziehen, dem Berater und der Bank ein gewisses Vertrauen entgegenbringen und eine Minimierung der Anlagekosten nicht zur Vorbedingung für Entscheidungen machen.

Stärken und Schwächen der klassischen Anlageberatung

Die größte Stärke der persönlichen Beratung besteht in der Möglichkeit eines erfahrenen Beraters, die Anforderungen des Kunden sehr detailliert und authentisch zu erfassen. Dies ist fernmündlich und über Auswahlmenüs stets nur soweit möglich, wie es die Erfahrungen des Kunden mit den dargebotenen Fragestellungen überhaupt zulassen.

Die größte Schwäche besteht in der Provisionsvereinbarung: Selbst wenn der Berater seine eigenen Provisionsüberlegungen nicht in die Beratung einfließen lässt, steht das Misstrauen des Kunden diesbezüglich im Raum. Kunden müssen stets damit rechnen, dass aktuelle Vertriebsziele wichtiger sind als ihre eigenen Interessen.

Robo Advisor Beratung

Die Beratung durch Robo-Advisor funktioniert vollständig in „Selbstbedienung“ ohne Interaktion mit einem Berater. Es gibt mehrere Typen von Robo Advisor Angeboten.

Robo Advisor Typen

Typ I stellt eine Komplettlösung dar: Die im Zuge der Online Beratung ermittelte Anlage wird mit vorstrukturierten Portfolios umgesetzt. Diese bestehen zumeist aus ETFs und können beispielsweise in Abhängigkeit von den Angaben des Kunden eine höhere oder eine niedrigere Aktienquote vorsehen. Das Portfolio wird im Zeitverlauf angepasst: Dies kann unter anderem nach Kursgewinnen am Aktienmarkt und einer damit einhergehend gestiegenen Aktienquote erforderlich sein. Dieser Typ Robo Advisor verlangt typischerweise eine jährliche Gebühr. Kunden müssen ein neues Depot (meistens bei einer bestimmten Bank) eröffnen.

Der zweite Typ Robo Advisor ist ein Online Beratungstool. Aufgrund der Angaben des Kunden werden Vorschlagslisten und Musterportfolios erstellt. Diese können grundsätzlich mit jedem neuen oder bestehenden Depot umgesetzt werden. Handelt es sich um ein Tool einer Direktbank, können Aufträge zur Umsetzung im besten Fall verkürzt aufgegeben werden. Viele der Tools sind zumindest als Basisversion kostenlos, für umfangreichere Leistungen wie z.B. nachträgliche Anpassungen werden Gebühren verlangt.

Beim dritten Typ Robo Advisor handelt es sich um eine Art Dach-ETF. Aufgrund der Angaben des Kunden wird ein Dachfonds ausgewählt, dessen Zusammensetzung und Ausrichtung den Erfordernissen des Kunden nahe kommt. Spätere Anpassungen werden im Fonds vorgenommen.

Ablauf der automatisierten Beratung

Am Beginn der automatisierten Beratung steht eine Selbsteinschätzung des Kunden. Abgefragt werden Anlagebetrag, Anlagedauer und Risikobereitschaft. Wesentliche Unterschiede zwischen den einzelnen Robo Advisor Anbietern am Markt ergeben sich bzgl. der Ermittlung der Risikobereitschaft. Bei einigen Tools müssen sich Kunden selbst in eine von mehreren Risikokategorien einordnen, die typischerweise nicht den Risikoklassen des Wertpapiergeschäfts entsprechen. Andere Anbieter ermitteln durch Fragestellungen aus dem persönlichen Bereich ein kleines „Psychogramm“ des Kunden.

Im zweiten Schritt werden dem Kunden auf Basis seiner Angaben Assetklassen angezeigt, die zum Profil passen. Angezeigt wird dann z. B. ein Portfolio mit 70 % Aktien und 30 % Anleihen, ohne dass zu diesem Zeitpunkt bereits konkrete Produkte vorgeschlagen werden. Anwender können durch weitere Eingaben Änderungen am Eingangsvorschlag vornehmen.

Im dritten Schritt werden für jeden Bereich des Portfolios (z. B. Blue Chips, Anleihen, Schwellenländer-Aktien) konkrete Produkte angezeigt. Welche dies sind, hängt vom Produktkatalog des jeweiligen Robo Advisor Anbieters ab. Typischerweise handelt es sich um relativ kostengünstige ETFs. Je nach Typ des Robo-Advisor wird die so entwickelte Strategie entweder über einen Fonds, eine Vermögensverwaltung oder auf Basis von Vorschlagslisten durch den Kunden selbst umgesetzt.

Im Nachgang der Investition erfolgt abhängig vom Robo-Advisor Typ das regelmäßige Adjustieren des Portfolios.

Zielgruppen der automatisierten Anlageberatung

Zur Zielgruppe der Robo Advisor zählen in den meisten Fällen Privatkunden mit kleineren und mittleren Vermögen, die nur geringes Interesse und/oder geringe Kenntnisse und Erfahrungen mit Vermögensanlagen in Wertpapieren an den Tag legen. Aus Sicht von Banken bieten Robo Advisor bei diesen Kunden das größte Potenzial, weil die Kosten in diesem Segment besonders stark gesenkt werden und auch mit ETF-Kunden zusätzliche Erträge erwirtschaftet werden können.

Stärken und Schwächen der Robo Advisor Angebote

Die größte Stärke der Robo Advisor ist der unkomplizierte Zugang: Auch Anwender ohne allzu viele Kenntnisse und Erfahrungen können eine Portfoliostrategie nutzen, die professionellen Ansprüchen gerecht wird und zu den individuellen Erfordernissen passt. Solche Strategien sind in der privaten Vermögensverwaltung regelmäßig erst ab sechsstelligen Anlagebeträgen zugänglich. Über Robo Advisor ist der Zugang ab ca. 1.000 EUR Einmalanlage und ab 5 EUR monatlicher Sparrate möglich.

Automatisiert vs. Face2Face: Ein Ausblick

Der Kostendruck im Massengeschäft zwingt Banken früher oder später zu einer stärkeren Standardisierung der Anlageberatung. Die Digitalisierung von Beratungsprozessen durch Robo Advisor ist deshalb dazu prädestiniert, auf mittlere Sicht einen wesentlichen Teil der Anlageberatung abzudecken.

Bis es soweit ist, müssen allerdings noch Hürden überwunden werden. Zum einen bedarf es einer breiteren Akzeptanz der Robo Advisor, die zum Teil durch Gewöhnung eintreten dürfte. Zum anderen müssen die Anbieter dafür Sorge tragen, dass Anleger tatsächlich ihren persönlichen Anforderungen gemäß eingeordnet und (digital) beraten werden. 

Gehen Anleger in Verbindung mit Robo Advisor Angeboten ein zu hohes Risiko ein, wird die Entwicklung des Segments früher oder später durch Regressforderungen und den damit verbundenen Rückzug von Investoren belastet. Werden aus dieser Sorge heraus dagegen jegliche Risiken umschifft, werden weder Anleger noch Robo Advisor ihre Ziele erreichen.

Unser Fazit zum Thema Anlageberatung

Die meisten Anleger benötigen kein allzu komplexes Portfolio: Eine Mischung aus Aktien, Anleihen und Rohstoffen reicht für 90 % der Privatinvestoren mit Vermögen unter 100.000 EUR definitiv aus. Für diese Problemstellung wird keine persönliche Beratung benötigt. 

Im Gegenteil: Allzu oft führt diese Beratung aufgrund von Interessenkonflikten zu suboptimalen Lösungen. Robo-Advisor sind in Verbindung mit kostengünstigen ETFs deshalb eine durchweg zukunftsfähige Beratungslösung. Im Zielkonflikt zwischen einer möglichst einfachen Benutzeroberfläche und dem Anspruch an eine professionelle Bedarfsanalyse liegt eine geradezu natürliche Schwachstelle der Robo Advisor, die nur durch konsequente Entwicklungsarbeit behoben werden kann.

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Julian L.

Julian ist Trader und Schreiberling in Einem. Ein echter Nachtmensch, denn er ist am Markt, wenn andere schlafen. Nichts, was er im Anlagebereich nicht schon für sich genutzt hätte oder aktuell nutzt. Er kennt die meisten Broker-Plattformen, weiss Signale und Markt-Trends zu erkennen und zu bewerten. Sieht er an den weltweiten Börsen die Chance “Geld zu machen”, dann ist er in seinem Element. Er führt unter anderem unsere Anbieter-Tests durch und wird in regelmässigen Abständen seine Meinung zum Finanzmarkt kundtun.
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