Rendite oder Sicherheit? Wenn Angst die Geldanlage beeinflusst

Die Börse erreicht neue Höchststände, Aktienindizes wie der DAX brechen Rekorde, und dennoch bleiben viele Deutsche ihrem traditionellen Anlageverhalten treu: Tagesgeld und Festgeld dominieren nach wie vor die private Vermögensanlage. Einer Studie der Deutschen Bundesbank zufolge halten deutsche Haushalte mehr als 40 Prozent ihres Finanzvermögens in Form von Bankeinlagen – ein im internationalen Vergleich außergewöhnlich hoher Wert. Doch warum scheuen so viele Menschen den Schritt an die Börse, und welchen Preis zahlen sie für ihre vermeintliche Sicherheit?

Rendite oder Sicherheit? Wenn Angst die Geldanlage beeinflusst » RoboAdvisor-Portal.com - das Infoportal

Markus G

Zuletzt aktualisiert am: 9. Dezember 2024

Rendite oder Sicherheit - die Angst bei der Geldanlage

18. Mai 2020

Die deutsche Anlegermentalität – Eine Bestandsaufnahme

Die Zahlen des Deutschen Aktieninstituts (DAI) zeichnen ein eindeutiges Bild der deutschen Anlegermentalität: Mit lediglich 12,8 Millionen Aktionären oder Fondsbesitzern – entsprechend 18,3 Prozent der Bevölkerung über 14 Jahre – liegt Deutschland im internationalen Vergleich weit zurück. Diese Zurückhaltung wird besonders deutlich, wenn man den Blick auf andere entwickelte Märkte richtet: In den Vereinigten Staaten beteiligt sich mehr als die Hälfte der Bevölkerung am Aktienmarkt, während in Schweden die Quote sogar bei über 80 Prozent liegt.

Eine umfassende Umfrage der ING-Bank unterstreicht diese konservative Haltung: Mehr als 60 Prozent der deutschen Sparer vertrauen, nach wie vor auf klassische Sparkonten oder Festgeldanlagen. Diese Zahlen verdeutlichen eine tief verwurzelte Skepsis gegenüber Aktieninvestments, die sich durch alle Bevölkerungsschichten zieht.

Historische Wurzeln der Angst vor der Geldanlage

Die ausgeprägte Vorsicht deutscher Anleger hat ihre Wurzeln in einschneidenden historischen Erfahrungen. Die traumatische Hyperinflation der 1920er Jahre, bei der ganze Familien ihre Lebensersparnisse verloren, hat sich tief in das kollektive Gedächtnis der deutschen Gesellschaft eingegraben. Das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat in einer umfangreichen Studie nachgewiesen, dass diese historischen Erfahrungen über Generationen weitergegeben werden.

Besonders interessant ist dabei die Erkenntnis, dass Familien, die von historischen Finanzkrisen direkt betroffen waren, diese Skepsis besonders intensiv an nachfolgende Generationen weitergeben. Der Zusammenbruch des Neuen Marktes im Jahr 2000 und die globale Finanzkrise 2008 haben diese tiefsitzenden Ängste weiter verstärkt und eine neue Generation von risikoaversen Anlegern geprägt.

Die Inflationsfalle bei vermeintlich sicheren Anlagen

Der schleichende Kaufkraftverlust

Die vermeintliche Sicherheit traditioneller Sparformen entpuppt sich bei genauerer Analyse als kostspielige Illusion. Der Vermögensverwalter Flossbach von Storch hat in einer detaillierten Untersuchung die dramatischen Auswirkungen negativer Realzinsen quantifiziert: Deutsche Sparer haben allein zwischen 2010 und 2022 einen Kaufkraftverlust von mehr als 800 Milliarden Euro erlitten.

Diese abstrakte Zahl lässt sich an einem konkreten Beispiel veranschaulichen: Bei einer Anlagesumme von 50.000 Euro und einem aktuellen durchschnittlichen Festgeldzins von 3,8 Prozent ergibt sich zwar ein nominaler jährlicher Zinsertrag von 1.900 Euro. Berücksichtigt man jedoch die durchschnittliche Inflationsrate von 5,9 Prozent (Stand 2023), resultiert daraus ein realer Kaufkraftverlust von 1.050 Euro pro Jahr. Dieser schleichende Vermögensverzehr wird von vielen Anlegern unterschätzt oder gar nicht wahrgenommen, da der nominale Kontostand ja steigt.

Die langfristige Perspektive

Die Quirin Privatbank hat in einer umfassenden Analyse die langfristigen Renditemuster der globalen Aktienmärkte untersucht.

Das Ergebnis ist bemerkenswert: In den vergangenen 50 Jahren gab es keine einzige rollierende 15-Jahres-Periode mit negativer Rendite. Selbst unter Berücksichtigung der Inflation erzielten breit gestreute Aktienportfolios eine durchschnittliche Realrendite von 6,2 Prozent pro Jahr. Diese Zahlen verdeutlichen das enorme Potenzial langfristiger Aktieninvestments für den Vermögensaufbau.

Moderne Anlagestrategien zur Risikominimierung

Diversifikation als Schlüssel

Das Prinzip der Risikostreuung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten als einer der wichtigsten Grundpfeiler erfolgreicher Investmentstrategien erwiesen.

Eine umfassende Analyse von Morningstar zeigt eindrucksvoll, wie effektiv moderne Anlageprodukte das Risiko reduzieren können: Ein global diversifiziertes ETF-Portfolio senkt das Verlustrisiko um bis zu 70 Prozent im Vergleich zu Einzelaktieninvestments.

Besonders bemerkenswert ist dabei die Effizienz moderner Indexfonds: Mit einer Kombination aus nur zwei bis drei breit streuenden ETFs können Anleger bereits Zugang zu über 8.000 verschiedenen Wertpapieren erhalten. Diese breite Streuung minimiert nicht nur das unternehmensspezifische Risiko, sondern reduziert auch die Abhängigkeit von einzelnen Regionen oder Branchen.

Die Rolle von Robo-Advisorn

Die digitale Revolution hat auch die Vermögensverwaltung grundlegend verändert. Eine aktuelle Studie von Oliver Wyman belegt den rasanten Aufstieg automatisierter Anlagestrategien: Robo-Advisor verwalten in Deutschland bereits ein Vermögen von mehr als 15 Milliarden Euro (Stand 2023), mit stark steigender Tendenz. Die Kostenstruktur dieser digitalen Vermögensverwalter erweist sich dabei als besonders vorteilhaft für Anleger. Mit durchschnittlichen Gebühren von 0,6 bis 0,9 Prozent pro Jahr liegen sie deutlich unter den Kosten klassischer Vermögensverwaltungen, die typischerweise 1,5 bis 2,5 Prozent berechnen. Diese Kostenersparnis hat über lange Zeiträume einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtrendite des Portfolios.

Psychologie der Anlageentscheidungen

Es ist eine „goldene“ Regel, dass man bei Anlage-Entscheidung seine Gefühle außen vor lassen sollte, den emotionale getriebene Entscheidung überlagern Entscheidungen, die rational und objektiv getroffen werden sollten leider viel zu oft. Was sich auch durch entsprechende Studien belegen lässt.

Verhaltensökonomische Erkenntnisse

Die Forschungsabteilung der Universität Mannheim hat in einer mehrjährigen Studie zur Behavioral Finance die verschiedenen Aspekte emotionaler Anlageentscheidungen untersucht. Die Ergebnisse sind alarmierend: Durchschnittlich verlieren Anleger 2,7 Prozentpunkte Rendite pro Jahr durch emotional getriebene Fehlentscheidungen. Diese Renditeeinbußen entstehen durch verschiedene psychologische Mechanismen.

Besonders kostspielig erweisen sich dabei panikartige Verkäufe in Krisenzeiten, wenn Anleger aus Angst vor weiteren Verlusten ihre Positionen auflösen und damit vorübergehende Buchverluste in reale Verluste verwandeln. Ein weiteres bedeutendes Problem ist das zu spätes Einsteigen in Aufwärtsphasen, wenn Anleger erst nach deutlichen Kursanstiegen den Mut finden zu investieren. Hinzu kommt die weitverbreitete Überschätzung der eigenen Fähigkeit, Marktentwicklungen vorherzusagen, die zu übermäßigem Handeln und damit zu unnötigen Transaktionskosten führt.

Der Cost-Average-Effekt

Die DWS hat in einer wegweisenden Langzeitstudie die Wirksamkeit regelmäßiger Sparraten empirisch nachgewiesen. Die Untersuchung des Zeitraums von 2000 bis 2020 zeigt beeindruckende Resultate: Anleger, die kontinuierlich jeden Monat einen festen Betrag in den DAX investierten, erzielten trotz mehrerer schweren Krisen eine durchschnittliche Jahresrendite von 8,2 Prozent. Im Vergleich dazu erreichten Einmalinvestoren im gleichen Zeitraum lediglich 5,9 Prozent Rendite. Diese Differenz von 2,3 Prozentpunkten verdeutlicht die Bedeutung einer systematischen, emotionsfreien Anlagestrategie.

Der Cost-Average-Effekt funktioniert dabei als natürlicher Risikopuffer: In Phasen fallender Kurse werden automatisch mehr Anteile gekauft, während in Hochpreisphasen weniger Anteile erworben werden.

Alternative Sicherheitskonzepte

Die Relativität von Anlagesicherheit

Die Vorstellung absoluter Sicherheit bei der Geldanlage erweist sich bei näherer Betrachtung als Illusion. Die Ratingagentur Moody’s hat in einer umfassenden Analyse den Zeitraum von 1983 bis 2023 untersucht und dabei 37 Staatspleiten dokumentiert. Diese Zahl verdeutlicht, dass selbst Staatsanleihen, die traditionell als besonders sicher gelten, nicht frei von Ausfallrisiken sind. Auch die gesetzliche Einlagensicherung, die Bankguthaben bis 100.000 Euro pro Institut absichert, bietet keine absolute Garantie.

Die Erfahrungen aus der Finanzkrise 2008 haben gezeigt, dass selbst systemrelevante Großbanken in existenzielle Schwierigkeiten geraten können. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit eines differenzierteren Verständnisses von Anlagesicherheit.

Hybride Anlagekonzepte

Die Analyse von JPMorgan Asset Management über einen Zeitraum von 30 Jahren zeigt die Vorzüge ausgewogener Portfoliostrategien. Ein gemischtes Portfolio, bestehend aus 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen, erwies sich als bemerkenswert robust: Selbst in den schwierigsten Marktphasen überstieg der maximale Wertverlust nie die 20-Prozent-Marke. Noch bemerkenswerter ist die Erholungsfähigkeit solcher Portfolios: Durchschnittlich wurden Rückschläge innerhalb von 18 Monaten wieder aufgeholt. Diese Daten belegen die Wirksamkeit hybrider Anlagestrategien, die verschiedene Anlageklassen intelligent kombinieren.

Fazit: Der Weg zur ausgewogenen Anlagestrategie

Die detaillierte Analyse der verschiedenen Aspekte der Geldanlage zeigt deutlich: Die weitverbreitete Angst vor Vermögensverlusten erweist sich häufig als kontraproduktiv für den langfristigen Vermögensaufbau. Die vermeintliche Sicherheit traditioneller Sparformen wird durch die kontinuierliche Geldentwertung untergraben. Stattdessen belegen empirische Daten eindrucksvoll die Vorteile einer langfristig orientierten, diversifizierten Anlagestrategie.

Die moderne Finanzindustrie bietet mit Robo-Advisors und ETFs effiziente Werkzeuge, um emotionale Anlagefehler zu vermeiden und eine disziplinierte Investmentstrategie umzusetzen. Die zentrale Herausforderung für jeden Anleger besteht darin, die eigene Risikobereitschaft realistisch einzuschätzen und darauf aufbauend eine individuell passende Balance zwischen Rendite und Sicherheit zu finden.

Die Erkenntnis, dass das größte Risiko für den langfristigen Vermögensaufbau nicht in der Volatilität der Märkte, sondern in der übertriebenen Angst vor ihr liegt, sollte Anleger ermutigen, ihre Anlagestrategie zu überdenken. Eine fundierte Finanzbildung in Kombination mit der Nutzung moderner Anlagetools kann dabei helfen, diese Angst zu überwinden und den Weg zu einer erfolgreichen, langfristig orientierten Anlagestrategie zu ebnen.

Facebook
Twitter
LinkedIn
Pinterest
Pocket
Reddit
XING
Rendite oder Sicherheit? Wenn Angst die Geldanlage beeinflusst » RoboAdvisor-Portal.com - das Infoportal

Markus G

Markus ist der “Kopf” des Teams. Ideengeber, Vermarkter, Redakteur und irgendwie an allem auf diesem Portal beteiligt. Ohne ihn würde es dieses Portal so nicht geben. Eine Idee – entstanden aus dem persönlichen Interesse an FinTech und nun langjähriger Erfahrungen in der Finanz-Szene. Zudem ist Markus Kolumnist auf zahlreichen Online-Plattformen – vor allem im englischsprachigen Raum (The Verge, Talkmarkets, Stockopedia, aber u.a. auch auf Focus.de
Empfehlungen aus der Redaktion

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert