Investment: Von Frauen, Risikoscheue und Risikobewusstsein

Das Bild der risikoscheuen Frau ist eine überholte Vorstellung, die sich seit Jahrzehnten hartnäckig in den Köpfen vieler hält – sowohl in der Gesellschaft als auch in der Finanzwelt. Barbara Stewart, eine international renommierte Expertin für Frauen und Finanzen, hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Klischees zu widerlegen. Mit ihrer umfassenden Studie aus dem Jahr 2018, die auf Interviews mit über 600 Frauen weltweit basiert, zeigt sie, dass weibliches Risikoverhalten keineswegs starr oder eindimensional ist. Stattdessen ist es ein facettenreiches Zusammenspiel von persönlichen Erfahrungen, individuellen Präferenzen und sozialen Rahmenbedingungen. Die Erkenntnisse dieser Studie sind nicht nur für Frauen selbst von Bedeutung, sondern auch für Finanzinstitute und Berater*innen, die Frauen als eine der wichtigsten Zielgruppen der Branche besser verstehen und unterstützen wollen.

 

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Julia F.

Zuletzt aktualisiert am: 9. Dezember 2024

Investment-Frauen-Risikoscheue-Angst

28. Februar 2020

Der Ansatz von Barbara Stewart: Tiefere Einblicke statt oberflächlicher Analysen

Barbara StewartDie traditionelle Sichtweise auf Investments reduziert Anleger*innen oft auf Zahlen und Produkte: Portfolios, Kapitalrenditen, Aktienanteile. Barbara Stewart hingegen wählte bei ihrer Analyse einen völlig anderen Ansatz. Sie führte ausführliche, einstündige Interviews mit Frauen aus verschiedenen Ländern und fragte nach deren persönlichen Lebensentscheidungen, Herausforderungen und Erfahrungen. Eine Vorgehensweise, die in ihrem Ergebnis deutlich macht, das Frauen ein deutlich anderes Anlageverhalten aufweisen als Männer.

Die zentrale Frage: Was ist das größte Risiko, das Sie jemals eingegangen sind?

Mit dieser offenen und unkonventionellen Fragestellung wollte Stewart stereotype Denkweisen vermeiden, die Frauen oft in eine konservative oder ängstliche Rolle drängen. Diese Herangehensweise ermöglichte es, individuelle Perspektiven zu beleuchten und die Vielfalt weiblicher Risikobereitschaft sichtbar zu machen.

Denn wie Stewart betont: Risiko ist ein relatives Konzept, das von der jeweiligen Lebenssituation, den persönlichen Zielen und den kulturellen Rahmenbedingungen abhängt.

Die Ergebnisse der Studie: Eine Vielfalt an Risikodefinitionen

Risiko ist subjektiv und dynamisch

Stewarts Forschung zeigt deutlich, dass es keine universelle Definition von Risiko gibt. Für manche Frauen bedeutet Risiko, ihr gesamtes Erspartes in ein Startup zu investieren, während es für andere ein großes Wagnis ist, vor einer großen Gruppe zu sprechen oder eine berufliche Neuorientierung zu wagen. Diese Unterschiede verdeutlichen, wie individuell Risikobereitschaft wahrgenommen wird.

Ebenso unterliegt die persönliche Einstellung zu Risiken einem ständigen Wandel. Eine Entscheidung, die vor zehn Jahren als riskant empfunden wurde, kann heute als Routine betrachtet werden – und umgekehrt. Solche Veränderungen werden durch Lebenserfahrungen, neue Kenntnisse und die Anpassung an veränderte Lebensumstände geprägt.

Der Einfluss von Gender-Rollen und gesellschaftlichen Erwartungen

Frauen werden in vielen Kulturen darauf konditioniert, vorsichtiger mit Risiken umzugehen. Das hat zur Folge, dass sie oft ihre eigenen Fähigkeiten unterschätzen und weniger geneigt sind, mutige finanzielle Entscheidungen zu treffen. Doch Stewarts Forschung zeigt, dass diese Zurückhaltung keineswegs auf mangelnde Kompetenz oder Wissen zurückzuführen ist, sondern auf gesellschaftliche Normen, die Frauen subtil beeinflussen.

Wie Frauen Risiken bewältigen: Strategien und Verhaltensmuster

Systematische Vorbereitung

Viele Frauen wählen einen strategischen Ansatz, um Risiken zu minimieren. Sie bereiten sich intensiv vor, analysieren mögliche Szenarien und holen sich Beratung bei Expert*innen. Dieser Ansatz spiegelt ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein wider und zeigt, dass Vorsicht nicht mit Angst verwechselt werden sollte.

Intuitive Entscheidungen

Auf der anderen Seite gibt es Frauen, die Risiken spontan und intuitiv eingehen. Sie vertrauen ihrem Bauchgefühl und handeln oft aus einer inneren Überzeugung heraus, dass alles gut ausgehen wird. Beide Ansätze – strategisch und intuitiv – haben ihre Berechtigung und verdeutlichen die Bandbreite weiblicher Risikobereitschaft.

Risikotoleranz ist situativ

Ein weiterer wichtiger Aspekt von Stewarts Forschung ist, dass die Risikobereitschaft von Frauen stark von der jeweiligen Situation abhängt. Tagesform, emotionale Verfassung und äußere Umstände spielen eine entscheidende Rolle. Diese Flexibilität zeigt, dass Risiko kein festgelegter Wert ist, sondern ein dynamisches Konzept, das sich ständig anpasst.

Die Gefahr von Klischees: Warum das Bild der risikoscheuen Frau überholt ist

Die Annahme, dass Frauen grundsätzlich weniger risikofreudig sind als Männer, hat weitreichende negative Konsequenzen. Dieses Klischee führt dazu, dass Frauen in der Finanzwelt oft unterschätzt und ihnen weniger attraktive Anlageoptionen angeboten werden.

Gesellschaftliche Auswirkungen

Die Vorstellung von der „risikoscheuen Frau“ ist nicht nur ein Problem der Finanzbranche, sondern spiegelt eine gesamtgesellschaftliche Tendenz wider, Frauen als zurückhaltend und unsicher zu charakterisieren. Diese Zuschreibungen dienen oft dazu, Frauen in passive Rollen zu drängen und ihre Handlungsspielräume zu begrenzen.

Gefahren für die Finanzindustrie

Für die Finanzindustrie ist es essenziell, diese Stereotypen zu überwinden. Frauen stellen heute eine der größten und am schnellsten wachsenden Kundengruppen dar. Eine pauschale, stereotype Beratung riskiert nicht nur finanzielle Verluste für die Branche, sondern verfehlt auch die Bedürfnisse dieser bedeutenden Zielgruppe.

Ein neuer Ansatz für die Finanzberatung: Frauen als individuelle Anleger*innen

Um Frauen besser zu unterstützen, muss die Finanzindustrie weg von starren Schubladen und hin zu einer individuelleren Beratung. Dabei sollten die einzigartigen Lebenswege, Ziele und Präferenzen von Frauen in den Vordergrund gestellt werden.

Zentrale Empfehlungen für Frauen

  • Offener Austausch: Frauen sollten sich gegenseitig ermutigen und offen über ihre finanziellen Entscheidungen und Risiken sprechen. Dieser Austausch kann helfen, Ängste abzubauen und neue Perspektiven zu gewinnen.
  • Finanzbildung fördern: Anstatt sich ausschließlich auf Selbstvertrauen zu verlassen, sollten Frauen ihre finanzielle Kompetenz weiterentwickeln. Wissen ist der Schlüssel zu fundierten Entscheidungen.
  • Erfolge sichtbar machen: Frauen sollten ihre finanziellen Errungenschaften offen teilen, um andere zu inspirieren und das Bild der kompetenten Anlegerin zu stärken.

Die Rolle der Finanzindustrie

Für Finanzberater*innen bedeutet dies, eine persönliche, ganzheitliche Herangehensweise zu wählen. Statt Frauen standardisierte Produkte anzubieten, sollten sie ermutigt werden, ihre individuellen Ziele zu verfolgen – sei es durch mutige Investments, den Aufbau eines eigenen Unternehmens oder die Erfüllung lang gehegter Träume.

Fazit: Frauen und Risiko – Ein neues Verständnis ist gefragt

Barbara Stewarts Forschung zeigt deutlich, dass die Beziehung von Frauen zu Risiko und Investments weit komplexer ist, als es gängige Klischees vermuten lassen. Frauen sind keineswegs per se risikoscheu – sie bewerten Risiken anders, oft durch eine Linse von Lebenserfahrungen und individuellen Prioritäten.

Für die Finanzwelt ist dies eine Chance, ihre Herangehensweise zu überdenken und Frauen als eigenständige, kompetente Anleger*innen zu unterstützen. Ein neues Verständnis von Risiko, das frei von Vorurteilen ist, wird nicht nur Frauen selbst stärken, sondern auch die Finanzindustrie langfristig bereichern. Denn am Ende des Tages gilt: Risiko ist kein Geschlechterthema – es ist eine Frage der Perspektive, des Wissens und der individuellen Entscheidungen.

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Julia F.

Julia F.

Julia ist unsere Spezialistin im Bereich “Frauen und Geldanlage”. Selbst als Quereinsteigerin in die Finanz-Szene gestartet, setzt sie sich bei uns mit den typischen Fragen und Unsicherheiten von Frauen beim Thema Geldanlage und Vermögensaufbau auseinander. Und sie spricht aus Erfahrung, denn sie ist mittlerweile selbst erfolgreiche Anlegerin. Julia gewährt uns mit ihren Beiträgen einen Einblick in die weibliche Welt der Geldanlage und des Vermögensaufbaus.

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