Robo-Advisor: Für welche Anleger sind sie NICHT geeignet?

Als Robo-Advisor 2013 den deutschen Markt betraten, waren die Erwartungen hochgesteckt. Die Vision war verlockend: Eine demokratisierte Investmentwelt, in der auch Kleinanleger von professioneller Vermögensverwaltung profitieren können. Zehn Jahre später zeigt sich ein differenzierteres Bild. Während der verwaltete Vermögensbestand deutscher Robo-Advisor bis 2023 auf über 15 Milliarden Euro anwuchs, wurde auch deutlich: Nicht jeder Anlegertyp findet in der automatisierten Vermögensverwaltung sein ideales Investment-Vehikel.

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Oliver S.

Zuletzt aktualisiert am: 16. Dezember 2024

Robo-Advisor - für wen sie nicht geeignet sind

4. Februar 2020

Das Grundprinzip der digitalen Vermögensverwaltung

Das Konzept der Robo-Advisor klingt zunächst bestechend einfach. Nach einem digitalen Onboarding-Prozess, bei dem Anlageziele, Risikobereitschaft und finanzielle Situation erfasst werden, erstellt ein Algorithmus eine personalisierte Anlagestrategie. Die Verwaltungsgebühren liegen dabei typischerweise zwischen 0,4 und 1 Prozent pro Jahr – deutlich günstiger als bei klassischen Vermögensverwaltern. Hinzu kommen allerdings noch ETF-Gebühren und eventuelle weitere Kosten, sodass die Gesamtbelastung bei einem Investment von 50.000 Euro schnell bei 500 Euro jährlich liegen kann.

Die Hürden für Kleinsparer und Vermögensaufbauer

Besonders problematisch gestaltet sich der Einstieg für Anleger mit geringem Startkapital. Die Mehrheit der Anbieter setzt signifikante Einstiegshürden: Während Anbieter wie LIQID eine Mindestanlage von 50.000 Euro verlangt, setzen andere etablierte Anbieter wie Estably (20.000 €), Zeedin (25.000 €) und Solidvest (10.000 €) die Schwelle nur geringfügig niedriger an.

Zwar existieren mit Anbietern wie Evergreen (ab 1 €) Growney (ab 500 €), Scalable Capital (ab 20 €) auch Alternativen für kleinere Anlagebeträge, doch nachwievor schließen einige Anbieter Kleinanleger in weiten Teilen aus.

Für Menschen, die erst am Anfang ihres Vermögensaufbaus stehen, bietet sich daher oft ein klassischer ETF-Sparplan bei einem Online-Broker an. Bei einem monatlichen Sparbetrag von 100 Euro fallen hier deutlich geringere Gebühren an, und der Anleger behält die volle Kontrolle über seine Investitionen.

Sicherheitsorientierte Anleger im Dilemma

Besonders kritisch gestaltet sich die Situation für sehr sicherheitsorientierte Anleger. Während klassische Anlagen wie Tagesgeld oder Festgeld 2024 wieder attraktive Renditen von bis zu 4 Prozent bieten, können selbst defensive Robo-Advisor-Strategien in Krisenzeiten empfindliche Verluste erleiden.

Dies zeigte sich eindrucksvoll während der Corona-Krise 2020, als auch konservative Portfolios zeitweise Wertverluste von 10 bis 15 Prozent verzeichneten. Der Grund liegt in der grundsätzlichen Anlagestruktur: Selbst defensive Strategien kommen nicht ohne einen gewissen Aktienanteil aus.

Die aktiven Anleger: Wenn Automatisierung zur Fessel wird

Für aktive Investoren, die Freude am eigenständigen Analysieren und Handeln von Wertpapieren haben, erweist sich die passive Strategie der Robo-Advisor oft als zu einschränkend. Eine aktuelle Studie der Deutschen Börse AG zeigt, dass etwa 40 Prozent der Privatanleger aktiv handeln und durchschnittlich zwölf Trades pro Jahr tätigen. Diese Anleger schätzen die Möglichkeit, auf Marktchancen reagieren zu können – eine Option, die Robo-Advisor nicht bieten.

Das vergangene Jahr 2023 demonstrierte eindrucksvoll die potenziellen Nachteile einer rein passiven Strategie: Während ein geschickter Anleger durch frühzeitiges Investment in die sogenannten “Magnificent Seven” – die führenden Technologieunternehmen – Renditen von über 100 Prozent erzielen konnte, erreichten Robo-Advisor im gleichen Zeitraum durchschnittlich nur etwa 15 Prozent Wertzuwachs.

Kurzfristige Anleger und die Grenzen der Automatisierung

Noch deutlicher zeigen sich die Limitationen bei kurzfristig orientierten Anlegern. Die von Robo-Advisorn empfohlene Mindestanlagedauer von fünf bis sieben Jahren steht in direktem Widerspruch zu den Zielen von Tradern oder spekulativ orientierten Investoren. Während die automatisierten Strategien auf langfristige Durchschnittsrenditen von 5 bis 8 Prozent pro Jahr ausgerichtet sind, suchen diese Anleger oft deutlich höhere Renditemöglichkeiten – auch unter Inkaufnahme entsprechender Risiken.

Die Sehnsucht nach Sachwerten

Ein weiterer Trend der letzten Jahre offenbart eine zusätzliche Schwachstelle der Robo-Advisor: das wachsende Interesse an Sachwertinvestments. Angesichts steigender Goldpreise und der anhaltenden Nachfrage nach Immobilien suchen viele Anleger nach Möglichkeiten, ihr Portfolio mit physischen Werten zu diversifizieren. Die rein digitale Ausrichtung der Robo-Advisor kann diesem Bedürfnis nicht gerecht werden. Ein Anleger, der beispielsweise 50.000 Euro in verschiedene Sachwerte investieren möchte, findet in der automatisierten Vermögensverwaltung keine passende Lösung.

Der Wunsch nach persönlicher Beratung

Nicht zuletzt zeigt sich ein fundamentales Bedürfnis vieler Anleger nach persönlicher Beratung. Eine aktuelle Erhebung des Bankenverbands belegt: Etwa drei Viertel aller Anleger wünschen sich zumindest bei wichtigen Finanzentscheidungen einen persönlichen Ansprechpartner. Die standardisierten FAQ-Bereiche und Email-Supports der Robo-Advisor können diesen Beratungsbedarf nur unzureichend erfüllen.

Fazit: Die Bedeutung der individuellen Anlagestrategie

Die Digitalisierung der Finanzbranche schreitet unaufhaltsam voran, doch nicht jede Innovation passt zu jedem Anleger. Die Entscheidung für oder gegen einen Robo-Advisor sollte auf einer ehrlichen Analyse der eigenen Bedürfnisse und Möglichkeiten basieren. Dabei spielen nicht nur das verfügbare Anlagekapital und der Anlagehorizont eine Rolle, sondern auch persönliche Präferenzen wie der gewünschte Grad an Eigenständigkeit und Beratung.

Ein pragmatischer Ansatz kann sein, zunächst mit einem kleinen Teil des Anlagevermögens die Dienste eines Robo-Advisors zu testen. Über einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten lässt sich so erfahren, ob man mit den Wertschwankungen, dem gebotenen Service und der grundsätzlichen Strategie zurechtkommt. Erst dann sollte über eine Ausweitung des investierten Volumens nachgedacht werden.

Die automatisierte Vermögensverwaltung hat zweifellos ihre Berechtigung im Markt – aber eben nicht für jeden Anlegertyp. Eine realistische Einschätzung der eigenen Bedürfnisse und Möglichkeiten bleibt der Schlüssel zum Anlageerfolg, ganz gleich ob mit oder ohne digitale Unterstützung.

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Oliver S.

Oliver S.

Oliver ist der Journalist im Team. Ausgebildeter Banker (Hypo Vereinsbank), hat hohes Maß an spezifischem Finanzwissen und ist einer der bekanntesten Schreiberlinge in der Finanz-Szene. Er das Thema Finanzen in einer Leichtigkeit, die seinesgleichen sucht. Nicht ohne Grund hat Oliver unter anderem auch für die Huffington Post geschrieben. Zudem ist er bis heute auch als Redakteur für FTD.de (ex Financial Times Deutschland) als auch auf Unternehmerhandbuch.de tätig. Kümmert sich hier um alles, was mit dem Thema Finanzwissen, Interviews und News zu tun hat.

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Ein Kommentar

  1. Guter Artikel, der deutlich macht, wie wichtig es ist, sich Gedanken dahingehend zu machen, wie man sich selbst als Anleger einschätzt und wieviel Zeit und Energie man selbst aufwenden möchte.

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