Raisin Invest Interview (ex-Weltinvest)

Im Gespräch mit Kim Felix Fomm / CIO Raisin Invest

Raisin Invest - das digitale Kapitalanlage-Angebot des Berliner Fintechs ist eines der am einfachsten gehaltenen Möglichkeiten, sein Geld anzulegen. Und das zu außergewöhnlich günstigen Konditionen. Doch auch bei Erweiterungen des Angebots kann das FinTech punkten. Zeit, das Ganze mal ein wenig zu hinterfragen - und zwar bei Kim Felix Fomm, dem Chief Investment Officer von Raisin Invest - das Raisin Invest Interview.

24. Juni 2021 | Markus G.

Keine Frage – das Berliner Unternehmen Raisin ist eines der erfolgreichsten Fintechs in Deutschland und vor allem mit seinem Tages- und Festgeld Angebot unter der Produktbezeichnung „Weltsparen“ eine feste Größe im deutschen Kapitalanlage-Markt. Doch anstatt sich auf dem mit Weltsparen erzielten Erfolg auszuruhen, hat Raisin recht früh den Eintritt in den deutschen Robo-Advisor Markt gewagt und das Produkt „Weltinvest“ (jetzt „Raisin Invest“) geschaffen und dieses sogar kürzlich um den Service eines sogenannten ETF-Configurators erweitert. Ein Produkt, das man wohl als den ersten Do-it-yourself Roboadvisor bezeichnen kann.

In Summe betrachtet also eine mehr als spannende Entwicklung, die aber auch an einigen Stellen Fragen aufwirft. Und Fragen werden am Besten im Rahmen eines Interviews beantwortet. So hat es uns gefreut, dass sich mit Kim Felix Fomm der Chief Investment Officer von Raisin zu solch einem Interview bereit erklärt hat. Im Folgenden also nun das Weltinvest / Raisin Invest Interview. 

Das Welt-Invest / Raisin Invest  Interview: Herr Kim Felix Fomm, CIO Raisin Invest

 1.) Herr Fomm, erst einmal vielen Dank für die Möglichkeit eines Interviews. Lassen sie uns mit der Frage starten, warum sie mit Weltinvest, jetzt Raisin Invest in den deutschen Robo-Advisor Markt eingestiegen sind?

Raisin ist mit WeltSparen bereits seit 2013 im Einlagengeschäft aktiv und hat das Angebot kontinuierlich zu einer Plattform für Geldanlage weiterentwickelt, die alle wesentlichen Finanzbedürfnisse abdeckt. Unser ETF Robo ist 2018 gestartet und bietet Verbraucherinnen und Verbrauchern eine kosteneffiziente Möglichkeit, über breit diversifizierte ETF-Portfolios am globalen Kapitalmarkt zu investieren. Mit dem passiven Investmentansatz verfolgen wir bewusst eine unkomplizierte Alternative zu teuren, aktiv verwalteten Fonds und ähnlichen Anlagen.

Dahinter steht die Philosophie von Raisin, dem Fintech hinter WeltSparen: Wir möchten allen Menschen Zugang zu verständlichen, fair bepreisten und einfach nutzbaren Finanzprodukten verschaffen – und damit Vermögensaufbau und Vorsorge demokratisieren.

2.) Sie unterscheiden sich mit Raisin Invest allein aufgrund der Tatsache, dass sie im Vergleich zum Gros ihrer Mitbewerber dem Anleger keinen Onboarding Prozess, der vor allem der Risikoklassifizierung dient, unterziehen. Kritiker würden sagen, dass sie hier den Anleger „allein“ lassen beziehungsweise zu viel Selbstverantwortung übertragen. Erläutern sie uns, warum sie auf den eigentlichen Prozess des Onboardings verzichten?

Unsere Anleger erhalten natürlich ein umfassendes Onboarding inklusive Risikoaufklärung und allen notwendigen Fakten. Eine Risikoklassifizierung bieten wir allerdings noch nicht an. Unser Ziel war von Anfang an ein sehr transparentes und einfach verständliches Angebot aus vier Portfolios mit einer wählbaren Aktienquote von 30, 50, 70 oder 100 Prozent. Wir bieten Anlegerinnen und Anleger daher die Möglichkeit sich für eine Aktienquote zu entscheiden, basierend auf den von uns detailliert dargestellten Chancen und Risiken.

Für die meisten Anleger ist das absolut ausreichend. Wir arbeiten aber auch an einer Hilfe für die Risikoeinschätzung. Trotzdem muss selbst bei einem solchen Angebot der Anleger am Ende entscheiden, ob er dem vorgeschlagenen Risiko folgen möchte oder nicht.

3.) Basierend auf der vorherigen Frage: Seit kurzem bieten sie zudem dem Anleger die Möglichkeit ein komplett eigenes ETF Portfolio zusammenstellen zu können und sie als Raisin Invest in Folge lediglich die „Verwaltung“ eines solchen Portfolios übernehmen. Was hat das noch mit der Bezeichnung eines „Robo-Advisors“ zu tun? Wie sieht bei diesem Angebot die Verwaltung ihrerseits im Detail aus?

Der seit kurzem verfügbare ETF Configurator ist als eigenständiges Do-it-yourself-Produkt neben unserem bewährten und Performance-starken ETF Robo-Advisor gestartet. Zielgruppe sind Menschen die gerne selbst ihr Portfolio zusammenstellen wollen, gleichzeitig aber die User Experience und die All-in-fee eines Robos schätzen. Mit dem ETF Configurator können individuelle ETF-Portfolios mit bis zu 10 ETFs aus einer Auswahl von rund 200 ETFs selbst zusammengestellt werden. Dabei lässt sich das persönliche Portfolio jederzeit flexibel und ohne Zusatzkosten anpassen und ändern. 

Das Rebalancing ist aus fünf verschiedenen Intervallen wählbar und wird automatisiert durchgeführt. Das Produkt kombiniert die selbst gewählte Portfolio-Zusammenstellung mit automatisiertem Management, deshalb sprechen wir auch von einem “Hybrid” zwischen Trading und Robo. In der All-in-fee von 0,43 Prozent pro Jahr sind die Konfiguration individueller ETF-Portfolios, Ein- und Auszahlungen, Änderungen an der Portfoliozusammensetzung, das Rebalancing und ein optionaler Sparplan ab 50 Euro pro Monat enthalten.

4.) Sie bieten mit Raisin Invest vor allem ETFs von Vanguard an. Allerdings ist der Markt für ETFs ein stetig wachsender und auch andere Anbieter wie X-trackers, iShares etc. haben gut performende ETFs im Angebot. Warum nicht auch bei den ETF Anbietern ein wenig mehr Auswahl? Was entgegnen sie einem Anleger, der hierin eine zu starke Anbieter-Abhängigkeit sieht?

Vanguard und BNP Paribas sind für uns bewährte Kooperationspartner beim ETF Robo, mit denen wir das Produkt realisiert haben. Überzeugend für uns ist die genossenschaftliche Struktur von Vanguard, die sich in der Kostenführerschaft widerspiegelt. Wir sind jedoch unabhängig von Vanguard, wir erhalten keine Retrozessionen und sonstige Anreize. 

Mit dem bereits erwähnten ETF Configurator bieten wir ein neues Produkt an, das bei der Portfoliowahl große Flexibilität mitbringt. Unter den rund 200 ETFs, die zur freien Auswahl stehen, finden sich Angebote viele großer Fondsgesellschaften, neben Vanguard beispielsweise auch Amundi, DEKA, iShares, Lyxor, UBS und X-trackers.

5.) Und in diesem Zusammenhang gleich die nächste Frage dahingehend, warum sie ausschließlich ETFs einsetzen, die zudem lediglich in Aktien und Anleihen als Anlageklasse investieren? Warum auf der einen Seite keine Rohstoffe, keine Immobilien etc.? Und warum auf der anderen Seite auch keine aktiv gemanagten Fonds? Gerade, wenn man sich aktuelle Performancedaten der Robo-Advisor anschaut, scheinen jene mit aktiv gemanagten Fonds als auch Direkt-Investments in Aktien besser zu sein.

Bei den Zahlen zur Wertentwicklung scheinen wir unterschiedliche Informationen zu haben. Im Echtgeldtest von Brokervergleich führen wir seit Auflage unseres Robos über 3 Jahre (+ 22 Prozent, der Zweitplatzierte liegt bei 20,1 Prozent, der Letzte bei -1,3 Prozent). Natürlich werden gerade aktive Strategien kurzfristig immer wieder starke Ausschläge nach unten und nach oben haben. Das sind dann Momentaufnahmen, die nicht als Grundlage für Anlageentscheidungen dienen können. Diversifizierte ETF-Portfolios mit Aktien und Anleihen sind für den langfristigen Vermögensaufbau am sinnvollsten. Das belegt, glaube ich, auch der Erfolg dieser passiven Anlagekonzepte.

Langfristig funktioniert Stockpicking und aktives Management in hochliquiden Märkten einfach nicht. Die wissenschaftlichen Studien zu dem Thema belegen das. Daher nutzen wir keine aktiven Fonds, denn die meisten entwickeln sich deutlich schlechter als ihre Benchmark, sind aber auch noch mit höheren Kosten behaftet. Hier verdienen vor allem die Fondsanbieter. Und selbst Warren Buffett empfiehlt – und nutzt mittlerweile selbst – ETFs.

6.) Kommen wir zu aktuellen Nachrichten: Sie verkündeten erst kürzlich mit ihren ETF-basierten Angeboten die „magische“ Schwelle von einer Milliarde Euro Assets under Management überschritten zu haben. Damit sind sie einer der, an den AuM gemessen, größten Anbieter im Markt – und das ohne große direkten Kooperationen mit Banken und Versicherungen. Was ist das Geheimnis ihres Erfolges? Warum scheinen Ihnen so viele potenziellen Anleger zu vertrauen? Was machen sie hinter den Kulissen anders als ihre Mitbewerber, die selbst nach Jahren im Markt von solchen Zahlen scheinbar nur träumen können?

Natürlich hilft uns die Bekanntheit von Raisin/Weltsparen als eines der führenden Fintechs mit namhaften Investoren. Unsere Plattform für Geldanlage ist etabliert, in Rankings liegen wir immer wieder weit vorne. Unsere Kunden vertrauen uns, weil wir transparente und faire Anlagemöglichkeiten bieten. Wir haben von Anfang an auf klare und einfache Sprache gesetzt ohne zu viel Fachsprache, die Kunden und Interessenten schätzen das. 

Wie schon erwähnt, überzeugt unser ETF Robo Advisor mit hervorragender Wertentwicklung. Am Ende zählt aus Anlegersicht die reale Wertentwicklung mehr als Geschichten oder besonders elaboriert klingende Strategien, die dann aber nicht performen.

Wir sind der günstigste Robo am Markt mit Gesamtkosten von 0,48 Prozent p.a. und führen im Echtgeldtest von Brokervergleich. In der 3-Jahres-Betrachtung seit Start liefern wir die beste Performance mit einem Wertzuwachs von 22 Prozent bei einem ausgewogenen ETF-Portfolio mit 50-prozentiger Aktienquote.

7.) Themenwechsel: Immer mehr Anbieter fokussieren sich mit ihren digitalen Kapitalanlage-Angeboten auf das Thema „Nachhaltigkeit“ und versuchen so entsprechende Zielgruppen anzusprechen und für ihr Angebot zu gewinnen. Bei Raisin Invest werden an nachhaltigen Geldanlagen interessierte Anleger jedoch nicht fündig. Warum ist das so? Verschlafen sie hier eine Marktentwicklung? Oder ist das etwas „Entsprechendes“ in der Pipeline?

Ich sehe beim Thema Nachhaltigkeit definitiv eine wichtige Marktentwicklung – wir haben im Mai ein nachhaltiges Investmentangebot gestartet: In unserem neuen ETF Configurator sind nachhaltige ESG-ETFs enthalten. Bereits heute gibt es unser Nachhaltigkeitsportfolio als vorkonfiguriertes Startportfolio im ETF Configurator.

Wer individualisieren möchte, kann aus über 30 nachhaltigen ETFs wählen. Die Titel werden nach einem zweistufigen Ausschlussverfahren ausgewählt, dass für Anlegerinnen und Anleger Nachhaltigkeit und Transparenz sicherstellt.

8.) Gerade beim Thema „nachhaltige Geldanlagen“ kommt nun mit der Offenlegungsverordnung etwas ins Spiel, das für einigen Wirbel sorgt. Zwar ist eine Befürwortung der Offenlegungsverordnung an sich gegeben, jedoch ist auch eine deutliche Kritik an der geplanten Umsetzung vernehmbar. Wie stehen sie hierzu? Wird das ganze Thema möglicherweise zu schnell vorangetrieben? Ist das ganze Thema, Stand heute, noch zu unausgegoren?

Wir denken über unseren Impact nach und unterstützen die Berücksichtigung von transparenten und verständlichen Nachhaltigkeitskriterien. Raisin Invest ist Unterzeichner der UN Prinzipien für verantwortliches Investieren (UNPRI), einem von den Vereinten Nationen unterstützten internationalen Investorennetzwerk, das sich für ein nachhaltigeres Finanzsystem einsetzt. In diesem Rahmen haben wir bereits Vorarbeit geleistet, was Reporting und Strategie betrifft.

Ein guter Teil der Kritik bezieht sich eher auf Unklarheiten, die durch das komplexe europäische Gesetzgebungsverfahren entstehen. Das lässt sich leider auf absehbare Zeit nicht ändern. Und natürlich nehmen Reporting-Pflichten immer weiter zu. Das ist insbesondere für kleinere Anbieter eine Belastung.

Da die finalen Detailregelungen noch ausstehen, können wir uns auch noch kein abschließendes Urteil bilden. Was ich allerdings durchaus kritisch sehe, ist die generelle Tendenz auf politischer Ebene, eine sehr verengte Sicht auf das Thema Nachhaltigkeit einzunehmen.

Am besten kann man das an einem Beispiel erklären: Mit dem auf politischer Ebene populären Ansatz, Investments in nicht-nachhaltige Branchen zu stoppen, hätten wir die Transformation unserer Energiewirtschaft nicht geschafft. Es wurde viel investiert, um weg von Kohle und Atomenergie zu kommen. 

Das war ja das eigentliche Ziel und aus meiner Sicht hat das funktioniert, weil nicht ausgeschlossen wurde. Das heißt, auch ein Ansatz ohne Branchenausschlüsse, aber mit aktiver Ownership als Anteilseigner spielt eine wichtige Rolle und kommt meiner Meinung aktuell etwas zu kurz.

9.) Kommen wir nochmals auf Raisin Invest an sich zurück: Eines der günstigsten RoboAdvisor Angebote in Deutschland, mehr als eine Milliarde Assets under Management, einen eigenen Do-it-yourself Robo und so weiter. Erlauben sie uns die Frage, wo die Reise von Raisin Invest hingehen soll? Wo sehen sie sich mit Ihrem Angebot in 3-5 Jahren? Und wie sehen sie den deutschen Robo-Advisor-Markt in den nächsten Jahren generell? Vor allem auch unter dem Aspekt, dass sowohl Vanguard selbst mit einem Robo als auch die UBS mit ihrem Angebot myWay den Markteintritt planen?

Grundsätzlich sind wir mit unserer Entwicklung sehr zufrieden. Unsere Expansion basiert auf drei Säulen. Wir werden die bestehenden Produkte inkrementell verbessern, immer mit Fokus auf den Kundennutzen. Das Thema Risikoprofilierung/Vermögensverwaltung ist hier ein Beispiel. Wir verfolgen auch die Finanzmarktforschung sehr genau, zum Beispiel mit Blick auf Faktor-Investments.

Die nächste Ergänzung unseres Angebots ist die Möglichkeit für thematische Investments. Als führende europäische Plattform für Geldanlage wollen wir sinnvolle Produkte für Kunden anbieten, immer unter der Prämisse Preisführerschaft und hohe Diversifikation beizubehalten. In für den Kunden nützlichen Bereichen können also weitere Angebote hinzukommen. Auch die geografische Expansion unseres Angebots ist in Zukunft ein Thema.

10.) Zu guter Letzt und wie immer an dieser Stelle: Was wollten sie schon immer einmal über den deutschen Robo-Advisor Markt und / oder die deutsche Anlegerschaft loswerden, sind hierzu aber noch nie mit einer entsprechenden Frage konfrontiert worden?

Die langfristige Wertentwicklung und Sinnhaftigkeit vieler Strategien steht nicht im Fokus der Berichterstattung. Obwohl das ja (neben dem Schwankungsrisiko) das wichtigste Kriterium für den Erfolg einer Geldanlage ist, berichten viele Medien nicht über die Wertentwicklung von Anlagen. Das gilt für den traditionellen Bereich aber auch für den Robo-Markt. Ein stärkerer Fokus auf das, was für den Anleger dabei langfristig rauskommt, würde mich freuen.

Wir haben von Anfang an auf aktive Modelle verzichtet, weil wir eine ganz klare Faktenlage in der Wirtschaftswissenschaft haben: das funktioniert nicht. Nach drei Jahren mit unserem Angebot können wir zeigen, dass unser einfacher, passiver Ansatz besser funktioniert hat als die anderen Modelle.

Zu guter Letzt

Herr Fomm, wir danken für das sehr interessante und vor allem aufschlussreiche Interview!

Zur Person >> Kim Felix Fomm / Raisin Invest

Kim Felix Fomm ist Chief Investment Officer (CIO) bei Raisin und leitet den Bereich Investment- und Vorsorgeprodukte. Zuvor baute er als Geschäftsführer den digitalen Vermögensverwalter Liqid mit auf und war bei der BHF-Bank in den Bereichen Vermögensverwaltung und Alternative Investments tätig.

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Markus G.

Markus ist der “Kopf” des Teams. Ideengeber, Vermarkter, Redakteur und irgendwie an allem auf diesem Portal beteiligt. Ohne ihn würde es dieses Portal so nicht geben. Eine Idee – entstanden aus dem persönlichen Interesse an FinTech und nun langjähriger Erfahrungen in der Finanz-Szene. Zudem ist Markus Kolumnist auf zahlreichen Online-Plattformen – vor allem im englischsprachigen Raum (The Verge, Talkmarkets, Stockopedia, aber u.a. auch auf Focus.de
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