Robo-Advisor und das Problem der Beratung

Robo-Advising verspricht eine neue, moderne Form des Vermögensaufbaus – doch: Der deutsche Anleger ist ein schwer berechenbares Individuum.Das wird vor allem beim Thema Geldanlage deutlich. Auf der einen Seite, das Misstrauen gegenüber Bankberatern, zum Anderen aber der Wunsch nach Rendite und Sicherheit. Letzteres bekannterweise jedoch sehr schwer in Kombination erreichbar. Wie also dem deutschen Anleger das Thema Geldanlage schmackhaft machen und dabei auch bestmöglich seine Bedürfnisse bedienen?

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Oliver S.

Zuletzt aktualisiert am: 17. Juli 2023

Problematisch - Beratung bei Robo-Advisor Angeboten

15. Juni 2019

Robo-Advisor schickten sich vor mehr als 5 Jahren an, den Markt für Geldanlagen gerade für den „Durchschnitts-Anleger“ aufzurollen. Alles einfacher, günstiger und vor allem keine „Falsch-“ und „Fehlberatungen“. Alles rein mathematisch und frei von irgendwelchen emotionalen Einflüssen eines Beraters, der möglicherweise mit seinen Empfehlungen eh nur seine Provisionen im Auge hat. Das Ganze dann garniert mit nett anzusehenden Rendite-Simulationen und perfekt schien sie, die digitale Revolution der Geldanlage. Robo-Advising at its Best! 

Online-Vermögens-Verwalter ohne Beratung haben es schwer

Und 5 Jahre später, also heute? Ernüchterung und eine ganz Reihe von, so nicht erwarteten Entwicklungen. Mal abgesehen davon, dass die Qualität der bis dato agierenden Robo-Advisor unter dem Gesichtspunkt der erzielten Rendite bei einigen Anbietern doch deutlich zu wünschen übrig lässt, zeigt sich vor allem eins: 

So ganz ohne Möglichkeit der Beratung ist das Thema der digitalen Geldanlage dem deutschen Anleger dann doch nicht so ganz geheuer.

Ja – da ist sie wieder, die Zwiespältigkeit: dem Berater an sich misstrauen, aber die Sicherheit einer möglichen Beratung dann doch gewährleistet wissen. Natürlich in bestmöglicher Qualität. Und zusätzlich kosten sollte sie auch nichts.

Ein Punkt, den vor allem diejenigen Marktteilnehmer begriffen haben, denen man noch vor weniger als 2-3 Jahren den schleichenden „Tod“ ob der „Revolution Robo-Advisor“ auf lange Sicht hin vorausgesagt hatte: den klassischen Vermögensverwaltern. Der Titel der Erkenntnis: Hybrid muss es sein!

Klartext: Mal losgelöst von Kooperationen a la Scalable-ING etc. und bank-bezogenen Eigenentwicklungen (bspw. ComInvest) von Robo-Advisorn ist klar erkennbar, dass traditionelle Anlage-Kompetenz mit einer möglichen Vor-Ort Beratung in Verbindung mit digitalen Elementen der Vermögensverwaltung, dass wohl derzeit erfolgversprechendste Modell der digitalen Kapitalanlage darstellt.

Robo-Advisor mit Vor-Ort Beratung – nicht ganz unwahrscheinlich

Was vor allem daran auffällt, ist, dass eine größere Anzahl von Robo-Advisorn, die im vergangenen Jahr neu in den Markt eingetreten sind, sich für ein sogenanntes hybrides Modell entschieden haben. Bedeutet? Es wird eben nicht (nur) mit Anlage-Algorithmen gearbeitet, sondern auch menschliche Experten üben mit ihrem Wissen bei der Auswahl der Anlageprodukte, der Zusammenstellung der Portfolios und beim Festlegen der Strategie entsprechenden Einfluss aus.

Ist somit die Frage, ob es möglicherweise in naher Zukunft Robo-Advisor Angebote mit Vor-Ort-Beratungsmodellen geben wird, berechtigt? Und somit traditionelle Vermögensverwalter als auch Banken den reinen Online-Anbietern letztendlich doch die Stirn bieten werden? Und wenn dem so ist, wo liegen mögliche Vor- und Nachteile für Anleger und digitale Vermögensverwalter?

Klassische Vermögens-Verwalter fast immer mit Vor-Ort-Betreuung

Ein gravierender Unterschied und gleichermaßen den größten Vorteil, den nicht wenige Anleger in der klassischen Vermögensverwaltung sehen, besteht darin, dass dort fast immer eine Betreuung vor Ort möglich ist. Zwar haben viele private Vermögensverwaltungen nur in einigen größeren Städten des Landes Filialen oder mitunter nur den Hauptsitz, aber dennoch haben Kunden immerhin die Möglichkeit, sich vor Ort beraten bzw. betreuen zu lassen. Nach wie vor schätzen – insbesondere vermögende Kunden – oft den persönlichen Kontakt von Angesicht zu Angesicht.

Aufgrund dieser Tatsache ist es sicherlich nicht ganz abwegig, wenn sich – ob bereits jetzt oder erst zukünftig – reine Online-Vermögensverwalter mit der Frage beschäftigen, ob es langfristig Sinn machen könnte, eine Vor-Ort-Betreuung anzubieten und damit den Robo-Advisor Angeboten der Banken entsprechend Paroli zu bieten.

Robo-Advisor mit Vor-Ort-Betreuung: Mögliche Modelle

Dabei ist es gerade für die reinen Online-Anbieter durchaus ein gewisser Spagat bei einer möglichen Umsetzung. Denn es gilt zu entscheiden, welches von 3 möglichen Modellen den Bedürfnissen des Marktes gerecht werden könnte? Und ohne dabei kosten-seitig aus dem Ruder zu laufen?

– Aufbau und Unterhalt von Standorten in Großstädten
– Aufbau und Unterhaltung einer eigenen „mobilen“ Berater-Einheit mit bundesweiter Abdeckung
– Nutzung einer vorhandenen Vertriebsstruktur durch Partnerschaften

Fakt ist, dass das wohl am schnellsten umsetzbare und wahrscheinlich auch kostengünstigste Modell jenes einer “offenen” Partnerschaft ist. Verfügt der Partner über eine entsprechende Vertriebsstruktur – sei es in Form eines Filialnetzes und / oder einer bundesweit aktiven Beraterstruktur – wäre der finanzielle Aufwand überschaubar. Größter Kostenfaktor wäre sicherlich der Bereich Training und Schulung. Hinsichtlich der Vergütung käme hier dann ein entsprechendes Provisionsmodell zur Anwendung.

Der direkte alleinige Aufbau von Niederlassungen als auch eines eigenen Berater-Netzwerkes wäre hingegen mit sehr hohen Kosten verbunden. Kosten, die sich dann letztendlich auch durch entsprechende Einnahmen amortisieren müssten.

Erkenntnis? Vor-Ort-Betreuung bedeutet Mehrkosten

Unabhängig davon, ob sich der Robo-Advisor für eines der zuvor erwähnten oder für ein anderes Betreuungsmodell entscheidet: Es ist klar, dass im Gegensatz zur reinen Online-Tätigkeit deutliche Mehrkosten entstehen werden. Insofern stellt sich natürlich die Frage, wie diese Mehrkosten mindestens kompensiert werden können bzw. man im Idealfall einen „Gewinn“ erzielt. Hier gibt es unserer Ansicht nach vor allem die folgenden Optionen:

• Mehrkosten rechnen sich durch Zugewinn neuer Kunden
• Kosten werden (ganz oder teilweise) auf den Anleger umgelegt
• Kosten werden für eine gewisse Zeit „vorfinanziert“ und als Investition angesehen

Dass sich die Mehrkosten durch eine generelles „Vor-Ort Beratungsmodell“ durch den Zugewinn neuer Kunden und dem damit verbundenen Mehr an Einnahmen kompensieren bzw. rentieren, wäre sicherlich die optimale Lösung. Falls dies überhaupt eintreten sollte, würde dies aber sicherlich eine Zeit brauchen.
Der Robo-Advisor müsste dann bereit sein, erst einmal ein „Minusgeschäft“ durch die neue Vor-Ort-Betreuung zu machen.

Sicherlich – die Mehrkosten teilweise oder komplett auf den Kunden umzulegen, wäre am einfachsten und sicherlich am komfortabelsten. Dann fragt sich allerdings, wie viele Kunden das akzeptieren bzw. ob der digitale Vermögensverwalter bei den Kosten wirklich noch einen echten Vorteil gegenüber den klassischen Vermögensverwaltungen hat, was bis dato noch der Fall ist. 

Klassisches Negativ-Beispiel ist hier zweifelsohne Prospery, die zwar kein Vor-Ort Beratungsmodell angeboten haben, aber eine persönliche Beratung eines Investmentberaters mit einem hohen Fixkosten-Satz. Ein Modell, das seitens der Anlegerschaft so nicht angenommen wurde. Die ABN Amro als Bank hinter dem Angebot von Prospery sah sich gezwungen ihren Robo-Advisor nach knapp 1 Jahr wieder einzustellen.

Was aber nicht als Signal dahingehend gelten darf, dass das Angebot einer Vor-Ort Beratung durch einen bis dato reinen „Online-Anbieter“ für Robo-Advisory generell zum Scheitern verurteilt sein muss.

Vor-Ort Beratung ist Service am Anleger und schafft Vertrauen

Denn grundsätzlich gibt es einige vorstellbare Gründe, warum manche Robo-Advisors in der Zukunft vielleicht zusätzlich zu ihrem Online-Angebot eine Vor-Ort-Betreuung implementieren könnten. Dazu könnten unter anderem die folgenden Beweggründe zählen:

• Mehr Kunden erreichen, vor allem vermögende Privatkunden
• Annäherung an klassische Vermögensverwalter und Bank Robo-Advisor
• Besseres Sicherheitsgefühl durch Beratung vor Ort
• Weg vom rein technischen und automatisierten Image

Die ersten zwei Aspekte haben wir im bisherigen Beitrag bereits angesprochen, nämlich dass die Robo-Advisors durch eine mögliche Vor-Ort-Beratung mehr vermögende Privatkunden erreichen und sich damit indirekt den klassischen Vermögensverwaltern annähern. Ein ebenfalls interessanter Punkt besteht darin, dass nicht wenige Anleger durch die mögliche Betreuung vor Ort ein besseres Sicherheitsgefühl gegenüber dem Anbieter haben dürften.

Dank Beratung glückliche Anleger
Moderne digitale Geldanlage mittels Robo-Advisory sollte aus Sich von Anlegern nicht ohne persönliche Beratung der Anlage-Spezialisten angeboten werden. Nur so scheinen zahlreiche Anleger in Verbindung mit guten Renditen und geringen Kosten zufrieden gestellt werden.

Zwar ist die Anlage bei einem Online-Vermögensverwalter grundsätzlich nicht weniger sicher als bei einem klassischen Vermögensverwalter. Dennoch fühlen sich zahlreichen Anleger bei dem Gedanken nicht besonders wohl, ihr Geld einem „Roboter“ anzuvertrauen, der in dem Sinne kein Gesicht hat und auch nur online per Mail, Telefon, Web-Chat und Webinaren erreichbar ist. Mit einer möglichen persönlichen Betreuung vor Ort könnte den entsprechenden Online-Vermögensverwaltern ein menschliches „Gesicht“ gegeben werden, sodass sicherlich mancher Anleger einfach ein besseres Gefühl hat.

Kostengünstig vs. persönliche Beratung – der Kunde wird entscheiden

Auch wenn es aktuell noch nach Zukunftsmusik ist, dass manche Robo-Advisor ihr Angebot irgendwann um eine persönliche Betreuung erweitern könnten: Der Gedanke ist nicht absolut abwegig, denn es gibt durchaus einige Vorteile für den Online-Vermögensverwalter und die Kunden. Im Wesentlichen stehen sich allerdings persönliche Beratung und das bisher auf geringe Kosten (auch für den Anleger) ausgerichtete Modell der digitalen Vermögensverwaltungen gegenüber. Die entscheidende Frage wird vermutlich sein, was dem Großteil der Anleger wichtig ist, wobei es hier mehrere Kundengruppen zu betrachten gilt:

• Anleger, die aktuell einen Robo-Advisor nutzen
• Anleger, die bei einer klassischen Vermögensverwaltung sind
• Anleger, die bisher noch keine VV in Anspruch nehmen

Bei den Anlegern, die bisher noch keine Vermögensverwaltung in Anspruch nehmen, stellt sich die Frage, warum dies so ist. Ist eine klassische VV nicht nutzbar, weil das Vermögen dafür zu gering ist und kommen Robo-Advisor bisher wegen der relativen „Anonymität“ nicht infrage, könnten diese Kunden mit dem Anspruch an Beratung sicherlich eine Zielgruppe bei einem Betreuungsmodell vor Ort sein.

Schwieriger wird es bei Anlegern, die bisher bereits einen Robo-Advisor nutzen und das Modell der digitalen Vermögensverwaltung damit angenommen haben. Sollten die Online-Vermögensverwalter nach Einführung eines Betreuungsmodells die zusätzlichen Kosten auf den Kunden umlegen, besteht die große Gefahr, dass den Bestandskunden das Angebot dann zu teuer wird.

Die größte Chance, durch eine Betreuung vor Ort neue Kunden zu gewinnen, besteht sicherlich bei den Anlegern, die eine klassische Vermögensverwaltung nutzen. Diese schätzen in der Regel die Betreuung durch einen menschlichen Vermögensverwalter, finden aber die Kosten und mögliche Einstiegshürden vielleicht dennoch zu hoch. 

Deshalb würde das Betreuungsmodell der Robo-Advisor hier ansetzen und eine Mischung aus persönlicher Beratung und kostengünstigeren Konditionen bieten können.
Schlussendlich wird auf jeden Fall der Anleger entscheiden, ob es sich für die Robo-Advisor Anbieter rentieren könnte, tatsächlich irgendwann in naher oder ferner Zukunft ein Betreuungsmodell vor Ort einzuführen.

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Oliver S.

Oliver S.

Oliver ist der Journalist im Team. Ausgebildeter Banker (Hypo Vereinsbank), hat hohes Maß an spezifischem Finanzwissen und ist einer der bekanntesten Schreiberlinge in der Finanz-Szene. Er das Thema Finanzen in einer Leichtigkeit, die seinesgleichen sucht. Nicht ohne Grund hat Oliver unter anderem auch für die Huffington Post geschrieben. Zudem ist er bis heute auch als Redakteur für FTD.de (ex Financial Times Deutschland) als auch auf Unternehmerhandbuch.de tätig. Kümmert sich hier um alles, was mit dem Thema Finanzwissen, Interviews und News zu tun hat.

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