Cominvest Interview

Im Gespräch mit Dr. Frank Silber/ Produktmanager cominvest

Cominvest - ein Robo-Advisor Angebot, das bereits im Jahr 2017 gestartet ist und damit zu den etabliertesten Anbietern am deutschen Markt gehört. Doch wie ist es dem Roboadvisor seitdem ergangen? Diese und 9 weitere Fragen haben wir Produkt Manager Dr. Frank Silber gestellt. Im Folgenden das Cominvest Interview

09. September 2021 | Markus G.

Zuletzt aktualisiert am: 25. Juli 2023

Das Roboadvisor-Angebot Cominvest der Comdirect Bank ist zweifelsohne eines der etabliertesten digitalen Kapitalanlage-Angebote in Deutschland. Es kann stolz behaupten, einer der ersten Roboadvisors zu sein, der von einer renommierten Bank unterstützt wurde und somit von Anfang an Zugang zu einem Kundenstamm hatte, von dem viele andere Anbieter im Jahr 2017 nur träumen konnten. Die Entwicklung des Angebots seitdem hat jedoch einige Fragen aufgeworfen, insbesondere hinsichtlich der Rücknahmen von Angebotselementen. Diese Entwicklungen haben uns sehr neugierig gemacht, und daher haben wir uns entschlossen, ein Interview mit Cominvest zu führen, um mehr Klarheit zu erhalten.

Nach einigem Bemühen konnten wir die Zustimmung der Comdirect für das Interview erhalten. Wir freuen uns daher, Ihnen ein weiteres Interview unter dem Motto “10 Fragen an…” präsentieren zu können. Im Folgenden finden Sie das Interview mit Dr. Frank Silber, dem Produkt Manager / Product Owner von Cominvest.

Das cominvest Interview: Herr Dr. Frank Silber, Produkt Manager Cominvest

 

1.) Herr Dr. Silber, das Robo-Advisor Angebot cominvest ist eines jener digitalen Kapitalanlage-Angebote, das mit am längsten am deutschen Roboadvisor Markt aktiv ist. Doch im Vergleich zu einigen ihrer Mitbewerber ist cominvest, was das Thema Marktkommunikation angeht, eher ein stiller Anbieter. Zeigt sich hier und das deckt sich durchaus mit unseren Erfahrungen anderer „Bank-bezogener Robo-Advisor“, eine gewisse Behäbigkeit was die „Informationspolitik“ angeht? Und in dem Zusammenhang hier gleich die Frage dahingehend: Wie zufrieden sind sie Stand heute mit der Entwicklung ihres Roboadvisor Angebotes?

Wir sind 2017 mit cominvest gestartet, haben das Angebot stetig weiterentwickelt und gehören heute zu den größten Anbietern am Markt. Das zeigt uns doch, dass wir Kunden, die bequem, günstig und professionell ihr Geld verwalten lassen möchten, eine attraktive Lösung bieten.  

Unsere Kunden erhalten unmittelbar alle Informationen, die für ihre Geldanlage wichtig sind: sei es über den regelmäßigen Newsletter, den Strategiebrief oder auch bei Themen, die die Kunden ad-hoc bewegen. Und natürlich stehen wir mit zahlreichen Online-Plattformen und den Medien im Austausch. Eine „Behäbigkeit“ kann ich hier überhaupt nicht erkennen.

2.) Womit sich auch gleich die nächste Frage ableitet: cominvest ist ursprünglich einmal mit 3 verschiedenen Angebotsvarianten gestartet. Dann wurde hiervon recht schnell 1 Modul wieder eingestellt, womit 2 Module (eins mit der Option einer persönlichen Beratung / Betreuung) übrigblieben. Nun wurde auch das Modul mit der Beratungs-Option eingestellt. Erläutern sie uns doch bitte, was die Beweggründe hierfür waren? Vor allen Dingen deshalb, weil ein Teil Ihrer Mitbewerber solche Beratungsoptionen bis dato anbietet und damit sehr gute Erfahrungen macht.

Die Entscheidungen zu Anpassungen unseres cominvest Angebots orientieren sich allesamt an den Kundenbedürfnissen. Wir waren, wie gesagt, einer der ersten Anbieter von digitalen Anlagemodellen und Vermögensverwaltungen. Im Laufe der Jahre konnten wir hier viele Erfahrungen sammeln und das Angebot entsprechend an die Kundenbedürfnisse anpassen.

Die Variante, hinter der eine kostenlose Auswahlhilfe für ein eigenes Portfolio steht, die die Kunden dann selbstbestimmt umsetzen können, entsprach nicht dem, was Kunden sich unter einem Robo-Advisor-Angebot vorstellten. Daher haben wir diese Variante aus unserem cominvest Angebot herausgenommen und als eigenständigen Anlageassistenten in unserem Brokerage-Angebot verortet. Diese Variante gibt es also nach wie vor und wurde nicht eingestellt

Zudem zeichnete sich ab, dass eine digitale Vermögensverwaltung vor allem transparent, zeitsparend und bequem sein sollte. Der Großteil der Kunden, die nicht selbstbestimmt handeln und Geld anlegen, gibt dann am liebsten auch alles aus der Hand, um sich dann gar nicht mehr selbst drum kümmern zu müssen. 

Entsprechend ist die Nachfrage nach dem Angebot „mit Mitbestimmung“ – nicht mit wie Sie sagten „mit persönlicher Beratung“ – über die Jahre kontinuierlich zurückgegangen, so dass wir das Angebot schließlich eingestellt haben. Dass wir mit dieser Entscheidung richtig lagen, zeigte sich dann auch an der Kundenreaktion: Der weitaus größte Teil der Kunden ist dann zur rein digitalen Vermögensverwaltung gewechselt.

3.) Kommen wir zu einem, für Anleger wichtigen Thema – Rendite. Schaut man sich die Performance von cominvest an und hier möchten wir uns gern auf den Echtgeld-Test von brokervergleich stützen, fällt auf, dass sie den Corona-Crash Mitte bis Ende März 2020 an sich gut überstanden haben. Am Ende des Jahres war die beliebteste Strategie „Wachstum“ dann aber nur noch leicht im Plus. Was ist da passiert?

Hintergrund für diese Entwicklung war ein jeweils ungewöhnlich starker marktübergreifender Einbruch und dann ein starker Ausbruch an den Aktienmärkten. Schauen Sie doch mal zurück: Im Jahr 2019 hat cominvest mehrfach die Spitzenplätze belegt und war zudem Rendite- /Risiko-Sieger. Mit einer sehr gut diversifizierten Aufstellung ging es dann 2020 in die Corona-Krise. 

Auch hier konnte cominvest Spitzenplätze in der Performance einnehmen, als die Märkte so schnell wie noch nie einbrachen. Das aktive Risikomanagement stellte das Portfolio nach diesem Einbruch vorsichtig auf. Anschließend blieb es vorsichtig, als sich die Aktienmärkte sehr rasch drehten.

Kurz: cominvest vergaß das Ausmaß des vorangegangenen Einbruchs nicht so schnell wie andere, sondern blieb mit der Aktienquote zurückhaltender und sicherte diese Phase weiter mit diversifizierenden Anlagen ab. Entsprechend ging die Fahrt- mit Blick auf die Rendite und das Risiko – durch ruhigeres Fahrwasser als bei vielen Wettbewerbern – bevor dann im April 2021 die Aktienquoten aufgestockt wurden.  

Kurseinbrüche gab es im Übrigen in der Vergangenheit immer wieder, das hat das System gelernt. Aber in dem Ausmaß verbunden mit einem so starken Aufschwung – das gab es noch nie. Der Algorithmus wird die Ereignisse des Jahres 2020 künftig berücksichtigen. Wir sind daher mit Blick auf den weiteren Jahresverlauf sehr zuversichtlich.

4.) Was bei fast allen Robo-Advisorn mit einem Blick auf die Performance auffällt, ist, dass die reinen ETF-basierten Anlagestrategien über einen längeren Betrachtungszeitraum durchaus akzeptable Renditen generieren, aber letztendlich von Anbietern, die Direktinvestments in Aktien anbieten als auch überwiegend aktiv gemanagte Fonds einsetzen, deutlich höhere Renditen erzielen und somit „geschlagen“ werden. Sind ETFs also doch nicht so toll, wie man den Anlegern gern vermittelt? Was spricht denn letztendlich aus Ihrer Expertensicht für den Einsatz von ETFs?

ETFs sind kostengünstig und strategietreu im Sinne des Index-Trackings. Zudem ermöglichen sie die direkte Umsetzung einer strategischen Allokation zum Beispiel über Märkte und Regionen sowie die Umsetzung einer dynamischen Portfolio- und Risikosteuerung. Diese Produkte sind nicht mehr wegzudenken und mittlerweile in einer Breite und Liquidität vertreten, die fast alle gängigen Assetklassen zugänglich macht.

5.) Auch sie nutzen nach eigener Aussage aktiv gemanagte Fonds, sofern sie denn aus ihrer Sicht zum einen die höheren Kosten in Form einer Überrendite kompensieren, zum anderen ebenso eine höhere Rendite für den Anleger bedeuten. Das klingt logisch und nachvollziehbar, aber mal Klartext: Wann beziehungsweise in welchen Börsenphasen kommen bei Ihnen aktiv gemanagte Fonds zum Einsatz?

Der Einsatz von aktiven Fonds oder von ETFs richtet sich bei cominvest nicht nach Börsenphasen. Beide Produkte stehen bei uns in einem gegenseitigen Wettbewerb, so dass höhere Kosten immer im Vergleich zur Rendite berücksichtiget werden Hier sind wir stets in der Optimierung und scheuen uns auch nicht, nach neuen Erkenntnissen die Anteile der ETFs oder aktiven Fonds zu verschieben.

6.) Eins der Trendthemen ist zweifelsohne jenes der Nachhaltigkeit. Zahlreiche ihrer Mitbewerber haben hierauf mit entsprechend ausgerichteten Anlagestrategien reagiert und erfreuen sich nach eigenen Angaben einer regen Nachfrage diesbezüglich. cominvest hingegen hat bis dato keine rein nachhaltigen Anlagestrategien im Angebot. Somit die erste Frage dahingehend, warum nicht? Und zweitens die Frage, ob unter dem Thema nachhaltige Anlagestrategien in naher Zukunft etwas von der cominvest erwartet werden kann?

Das Thema Nachhaltigkeit in der Geldanlage ist ganz klar gesetzt – sowohl vonseiten der Kunden als auch vom Gesetzgeber. Ein Angebot für eine digitale Vermögensverwaltung bereitzustellen, liegt auch für uns auf der Hand. Allerdings haben wir bewusst die regulatorischen Veröffentlichungen abgewartet und Themen vorgezogen, die unseren Kunden noch wichtiger waren. Insofern warten Sie bitte einfach noch ab.

7.) Ein ziemlich heiß diskutiertes Thema ist derzeit jenes der Offenlegungsverordnung. Die Einen begrüßen diese Verordnung allein aufgrund dessen, dass hiermit mehr Transparenz einkehrt und das Thema Nachhaltigkeit im Investment-Bereich eine höhere Bedeutung zukommen wird. Die Anderen bemängeln, dass die Umsetzung dieser Verordnung erstens nicht ganz klar ist und zudem einen erheblichen Mehraufwand für die Investment-Branche bedeutet. Wie stehen sie generell zur Offenlegungsverordnung hierzu und wie stark wird die Umsetzung ihre internen Abläufe beeinflussen?

Die Offenlegungspflicht zum 10.03.2021 hat uns im ersten Quartal dieses Jahres intensiv beschäftigt. Am Ende sind wir einen großen Schritt zu mehr Transparenz im nachhaltigen Investieren vorangekommen, und zwar im Sinne des Gesetzgebers und für den Anleger. Mit den noch umzusetzenden regulatorischen Nachhaltigkeitsanforderungen hat der Markt aber eine weitere Herausforderung zu bewältigen: Die komplexen, zum Teil sehr abstrakten und sehr spezifischen regulatorischen Anforderungen müssen für den Kunden so umgesetzt werden, dass dieser sie selbst einordnen und verstehen kann.

Denn hier entsteht – so muss man ehrlich sagen – ein schwer umsetzbarer Kommunikationsbedarf aus MiFid-, Offenlegungs- und Taxonomie-Regelungen. So sinnvoll diese im Einzelnen auch sind, so schwer sind sie auch in ihrer Gesamtheit umzusetzen und verständlich zu machen.

8.) Kommen wir zur Situation der Robo-Advisor Anbieter in Deutschland. Mittlerweile „tummeln“ sich mehr als 40 Anbieter am Markt und nun kündigen sich mit Vanguard und UBS myWays zwei weitere Markteintritte an. Auf der anderen Seite hat sich mit Moneyfarm einer der größten Anbieter nach weniger als 2 Jahren aus dem deutschen Markt wieder verabschiedet. Wie sehen sie den deutschen Markt? Bietet er noch Potenzial für weitere Anbieter? Muss nicht zwangsläufig irgendwann eine Marktkonsolidierung erfolgen?

Die Attraktivität des Angebots einer digitalen Vermögensverwaltung als eine bequeme, professionelle und kostengünstige Anlage ist nach wie vor da. Ich würde aber eingestehen, dass das Jahr 2020 mit seiner hohen Marktvolatilität von anderen Anlagethemen dominiert war, wie beispielsweise sehr spekulativen Investmentstrategien oder Themen rund um einzelne Aktien wie Gamestop oder auch durch Kryptowährungen. Mit Blick auf die nächsten Jahre bin ich aber nach wie vor zuversichtlich.

Dass Anbieter aus unterschiedlichen Gründen ausscheiden und neue dazukommen, ist nicht ungewöhnlich. Ebenso finden neue Anbieter einen Platz, die sich zum Beispiel speziell an Familien richten oder ein Spezial-Feature in den Vordergrund stellen, wie beispielsweise das Anlegen von Klein- und Wechselgeld. Insgesamt erwarte ich, dass rund 5 bis max.10 Anbieter den Großteil der Robo-Assets verwalten werden, so dass der Robo-Markt ausreichend breit und bunt bleibt – was dem Kunden zu Gute kommt

9.) In diesem Zusammenhang die Frage, wo sie sich selbst mit dem Angebot Cominvest in den nächsten 2-3 Jahren sehen? Was ist aus ihrer Sicht, angesichts der steigenden Anzahl an Mitbewerbern, notwendig, um dauerhaft bestehen zu können?

Ich glaube, dass wir in den nächsten 3 Jahren auf der Anbieterseite einige technologische Disruptionen erleben werden, die den einen oder anderen Anbieter abhängen werden. Ich denke hier zum Beispiel an Cloud-Technologien, an die Integration neuer Märkte und Produkte, die mit Geldanlage heute nichts zu tun haben, aber auch an die Blockchain, an Tokens und Wallets.

Eines wird hier ganz entscheidend sein: Selbst bei tech-affinen Anlegern, wozu ich viele Robo-Anleger zählen würde, müssen technologische Innovationen so kommuniziert werden, dass ihr Nutzen sofort erkannt wird. Das heißt vor allem bequem, einfach, renditestark und – im technologischen Sinne – sicher.

10.) Zu guter Letzt und wie immer an dieser Stelle: Was wollten sie schon immer über den deutschen Roboadvisor Markt „loswerden“, sind aber noch nie mit einer entsprechenden Frage „konfrontiert“ worden?

Das Interesse am Robo-Markt ist so groß, dass eigentlich schon jede Frage gestellt wurde. Aber eines würde ich doch gerne noch sagen: Viele Verbraucher schauen sich vor der Entscheidung zu einem Robo-Advisor Vergleiche und Tests an, was auch richtig ist. Allerdings sollte man hier immer drauf schauen, was der Tester vergleicht. cominvest beispielsweise verfolgt den Ansatz der dynamischen Portfoliosteuerung, der für die aktive Steuerung der Volatilität entsprechend des gewünschten Risikos des Kunden sorgt.

Dieser Ansatz kann nicht eins zu eins mit einem statischen Portfolio-Ansatz verglichen werden und daher pauschal auch nicht gesagt werden, ob das eine per se besser als das andere ist. Anleger sollten bei Tests und Vergleichen grundsätzlich, aber gerade im Robo-Advisor-Markt, auch genau darauf achten, welches die Kriterien sind, die besonders stark ins Gewicht fallen und so das Testergebnis bestimmen. Sie sollten prüfen, ob der Test das seriös bewertet, was ihnen selbst am wichtigsten ist.

Zu guter Letzt

Herr Dr. Silber, wir danken Ihnen vielmals für das aufschlussreiche Interview.

Zur Person – Dr. Frank Silber

Dr. Frank Silber, 49 Jahre, ist als Produktmanager in der Rolle des Product Owner für die digitale Vermögensverwaltung cominvest bei der comdirect Bank AG beschäftigt. In den letzten 18 Jahren beschäftigte sich der promovierte Volkswirt mit Fragen der Asset Allokation, dem quantitativen Management von Kapitalmarktrisiken und der Umsetzung von digitalen Angeboten in agil arbeitenden Unternehmen. Er bekleidete analytische, beratende und leitende Positionen in der Finanzbranche sowie der Gaming – Industrie und unterrichtete als Dozent zu Kapitalmarktthemen.

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Markus G.

Markus ist der “Kopf” des Teams. Ideengeber, Vermarkter, Redakteur und irgendwie an allem auf diesem Portal beteiligt. Ohne ihn würde es dieses Portal so nicht geben. Eine Idee – entstanden aus dem persönlichen Interesse an FinTech und nun langjähriger Erfahrungen in der Finanz-Szene. Zudem ist Markus Kolumnist auf zahlreichen Online-Plattformen – vor allem im englischsprachigen Raum (The Verge, Talkmarkets, Stockopedia, aber u.a. auch auf Focus.de
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