Warburg Navigator Interview

Im Gespräch mit Dr. Christian Jasperneite/ CIO M.M Warburg & Co.

Warburg Navigator - der im Jahr 2017 gestartete Robo-Advisor der M.M Warburg & Co Bank ist eines der ältesten digitalen Investment-Angebote im deutschen Markt. Ein im Vergleich zum Gros der Mitbewerber eher weniger medial präsentes, aber nicht minder interessantes Angebot. Grund genug dies zu ändern und zwar in Form eines Interviews mit CIO Dr. Christian Jasperneite - das Warburg Navigator Interview.

16. Februar 2022 | Markus G.

Mit dem Robo-Advisor Angebot “Warburg Navigator”, der auf der digitalen Investment-Plattform des White Label Providers ELINVAR basiert, hat die renommierte Privatbank M.M Warburg seit geraumer Zeit ein digitales Investment-Angebot geschaffen, dass interessierten Anlegern eine Kombination aus moderner Technologie und ausgewiesener menschlicher Investment-Expertise bietet. Was nach einem “alt-bekannten” Muster beim Thema Robo-Advisor Angebote aussieht, unterscheidet sich bei genauerem Hinblick jedoch deutlich vom Gros der Mitbewerber. Und zwar nicht nur beim Thema Mindestanlagesumme, sondern vor allem auch darin, dass seit 2021 ausschließlich nachhaltige Anlagestrategien angeboten warden.

Grund genug für uns, den Schwenk hin zu einem rein nachhaltigen Angebot beim Warburg Navigator zu hinterfragen. Und wer könnte diese Frage neben 9 weiteren Fragen in Form eines Interviews besser beantworten als der Verantwortliche für das digitale Investment-Angebot der M.M Warburg als Dr. Christian Jasperneite. Im Folgenden also das Warburg Navigator Interview.

Das Warburg Navigator Interview: Herr Dr. Christian Jasperneite, Chief Investment Officer M.M Warburg & Co.

1.) Herr Dr. Jasperneite, ihr Roboadvisor Angebot Warburg Navigator ist nun seit geraumer Zeit am Markt und „konkurriert“ mittlerweile mit rund 50 anderen Anbietern um die Gunst potenzieller Anleger. Gewähren sie uns einen Einblick, wie sich ihre Online-Vermögensverwaltung bis dato bei Kundenanzahl und verwalteter Anlagesumme entwickelt hat? Sind sie zufrieden mit der bisherigen Entwicklung?

Bei M.M.Warburg & CO geben wir grundsätzlich nie Informationen über Kundenzahlen und Anlagesummen. Allgemein kann aber gesagt werden, dass in dem Strategiesegment ein dreistelliger Millionenbetrag als Assets under Management verwaltet wird.

2.) Viele Roboadvisor konnten in der nach wie vor anhaltenden Corona-Pandemie einen erheblichen Zuwachs bei der Anzahl der Kunden als auch bei der Höhe der verwalteten Kundengelder verzeichnen. Gilt dies auch für ihr Angebot? Und was glauben sie sind die Gründe dafür, dass die Akzeptanz der Robo-Advisor bei den Anlegern gerade während der Corona Krise steigt und so für ein entsprechendes Kundenwachstum sorgt?

Der Warburg Navigator hat seit seinem Start im Jahr 2017 einen linearen Verlauf im Zuwachs der Kunden. Generell gilt aber wahrscheinlich, dass die im Homeoffice verbrachte Zeit dazu geführt hat, sich vermehrt mit den eigenen Finanzen zu beschäftigen.

3.) Warburg Navigator hat seine Anlagestrategien von klassisch auf nachhaltig umgestellt. Doch während einige Mitbewerber ihre bisherigen „klassischen“ Anlagestrategien um nachhaltige Varianten ergänzt haben, haben sie quasi einen Austausch vorgenommen. Mögen sie uns die Beweggründe für diese Umstellung nennen? Und wie haben bestehende Kunden auf diesen Schwenk reagiert?

Die allermeisten Kunden haben diesen Schwenk begrüßt. Wir hatten, soweit ich weiß, deswegen nur eine einzige Kündigung. Für uns war die Umstellung eine Frage der Glaubwürdigkeit. Wenn man eine nachhaltige Anlagestrategie für grundsätzlich angebracht und sinnvoll erachtet, ergibt es wenig Sinn, parallel noch eine nicht nachhaltige Anlagestrategie zu betreiben. 

Das wäre ein kaum zu erklärender Widerspruch. Daher haben wir auch alle anderen Bereiche der Vermögensverwaltung auf eine nachhaltige Strategie umgestellt. Hier sind wir konsequent, das ist auch wichtig für die Glaubwürdigkeit. 

4.) Und bleiben wir gleich beim Thema nachhaltige Anlagestrategien: Die Umsetzung solcher nachhaltigen Anlagestrategien mittels ETF sieht so manch ein Experte als kritisch – Stichwort „Greenwashing“. Sie setzen mit dem Warburg Navigator jedoch auf eine Mischung aus aktiv gemanagten Fonds als auch ETFs bei der Umsetzung ihrer Strategien. Mögen sie uns erklären, warum sie beide Anlageinstrumente nutzen und welche Vorteile sich hieraus für nachhaltig orientierte Anleger ergeben?

Natürlich gibt es viele angeblich nachhaltige ETFs, da fragt man sich dann schon, was daran nachhaltig sein soll. Das gilt dann aber auch für so manche aktiv gemanagte Fonds. Am Ende muss man immer genau schauen, was man kauft. Beim ETF muss man sich mit der Indexsystematik beschäftigen und bei aktiven Fonds mit der Investmentphilosophie des Portfoliomanagers. Wir waren aber nie Freunde davon, ausschließlich auf ETFs oder nur aktive Fonds zu setzen. 

Wir mögen ETFs, weil sie kostengünstig und extrem transparent sind, aber wenn wir ein Thema besetzen wollen, für das kein ETF existiert, verwenden wir auch gerne aktive Fonds. Natürlich haben wir hier Zugriff auf institutionelle Anteilsklassen. Daher hält sich dann auch hier die Kostenbelastung sehr in Grenzen.

5.) Ein derzeit heiß diskutiertes Thema ist der Vorschlag der EU-Kommission Atomkraft unter bestimmten Voraussetzungen als nachhaltig einzustufen. Sollte dies umgesetzt werden, würden sich hier für Fondsanbieter neue Optionen bei der Gestaltung nachhaltiger Fonds ergeben. Wie stehen sie als zu einer solch möglichen Entscheidung pro Atomkraft? Würde damit nicht die Grund-Idee der EU-Taxonomie ad absurdum geführt? Und würden damit nicht auch real nachhaltige Energie generierende Unternehmen von einem Großteil möglicher Investitionen „abgeschnitten“?

Das ist natürlich ein politisch vermintes Gelände. Viele trauen sich da gar nicht mehr, eine eigene Meinung zu haben. Aber ganz nüchtern betrachtet sieht es aus meiner ganz persönlichen Sicht doch so aus: Mit Atomkraft lässt sich bei sehr geringem Ressourcenverbrauch extrem viel Energie produzieren, und das weitgehend klimaneutral. Vor allem für die Erzeugung der Grundlast ist Atomkraft extrem gut geeignet. Die Problematik der Endlagerung von Atommüll ist natürlich gegeben, aber das Problem muss ohnehin gelöst werden – egal ob man die Reaktoren jetzt abschaltet oder noch 40 Jahre weiter betreibt, bis hoffentlich die Fusionstechnologie funktioniert. 

Wir müssen in Deutschland einsehen, dass wir mit der Abschaltung von Atomkraft einen Sonderweg gehen. Und immer, wenn man einen Sonderweg geht, stellt sich doch die Frage, wer hier eigentlich falsch abgebogen ist. Ohne Zweifel werden jetzt Investitionen für erneuerbare Energien abgeschnitten. Aber wenn ich die Wahl hätte, in den nächsten 40 Jahren in Europa neue und besonders sicherere Atomkraftwerke oder aber neue Gaskraftwerke zu bauen, würde ich mich eher für Atomkraft entscheiden. Gaskraftwerke sind nicht klimaneutral und können auch niemals komplett von Solar- und Windkraft ersetzt werden. Das geht schon physikalisch nicht, dazu haben wir nicht die nötigen Pumpspeicherkraftwerke. 

Außerdem erscheint es mir geopolitisch wenig sinnvoll, wenn man durch russische Gaslieferungen erpressbar wird, wie dies aktuell der Fall ist. Man mag es alles ganz fürchterlich finden, aber ohne Atomkraft wird es nicht gehen. Deutschland wird daher auch in 30 Jahren noch Atomstrom importieren. Die Natur und das Klima haben auch wenig davon, wenn man die Diskussion ideologisch auflädt und mit romantischen Vorstellungen anreichert. Ein klarer Blick auf physikalische Zusammenhänge ist zielführender. Das machen die Franzosen besser als wir.

6.) Kommen wir zurück zu ihrem Angebot des Warburg Navigator: Mit einer Einstiegssumme von 20.000 € setzen sie die Einstiegshürde im Vergleich zum Gros ihrer Mitbewerber relativ. Dies fällt insbesondere deswegen auf, weil gerade in letzter Zeit zahlreiche ihrer Mitbewerber die Mindestanlagesummen deutlich gesenkt haben, so zuletzt Scalable Capital, Whitebox als auch Quirion. Die Frage ist also zum einen, warum die Mindestanlagesumme so hoch angesetzt wurde und zum anderen, ob sie hier in naher Zukunft mögliche Anpassungen an den „Marktdurchschnitt“ planen?

Wir planen keine Anpassungen. Das durchschnittliche Anlagevolumen im Warburg Navigator liegt deutlich über den 20.000 Euro. Wir hatten bisher nicht den Eindruck, dass für uns diese Grenze unternehmerisch unvorteilhaft ist.

7.) Was ebenfalls auffällt: Viele ihrer Mitbewerber generieren eine nicht geringe Anzahl an Kunden aufgrund niedriger Mindestanlagesummen in Kombination mit einem Sparplan und / oder der Option einzig und allein über die Einrichtung eines monatlichen Sparplans das Thema Vermögensaufbau zu starten. Bei Ihnen gibt es die Möglichkeit, einen Sparplan zu nutzen, nicht? Warum? Mögen sie uns hier einen Einblick gewähren?

Sie können bei uns einen Dauerauftrag einrichten und beispielsweise jeden Monat 200 Euro überweisen. Das Geld wird dann sofort automatisch investiert. Damit haben wir ja im Prinzip das Angebot eines Sparplans.

8.) Sie kommunizieren auf Ihrer Webseite, dass es ihr Ziel ist, für Anleger durch aktives Management eine Überrendite gegenüber dem Markt erzielen zu wollen. Schaut man sich jedoch mal die, bis dato erzielten Renditen an (als Beispiel sei der Echtgeldtest von brokervergleich genannt) zeigt sich, dass die Strategien zwar gut performen, aber nicht wirklich eine Überrendite generieren. Wir würden sie hier auf eine entsprechende Kritik eines Anlegers reagieren?

Es stellt sich ja immer die Frage, wie man Strategien miteinander vergleicht. Stellt man auf die Aktienquote in der Benchmark ab oder auf die maximal zulässige Aktienquote? Da werden schon manchmal Äpfel mit Birnen verglichen. Letztlich muss man sich immer den Sharpe-Ratio ansehen.

9.) Kommen wir zu einer generellen Frage, die man sich als Beobachter des hiesigen Robo-Advisor Marktes durchaus stellen darf: Bei mittlerweile rund 50 Anbietern und angekündigten Markteintritten weiterer Anbieter (u.a. Vanguard, UBS etc.) – wieviel Anbieter verträgt der Markt in Deutschland noch? Erwarten sie als etablierter Teilnehmer des Marktes eine alsbaldige Konsolidierung? Wie wird sich ihrer Meinung nach der hiesige Robo-Advisor Markt in den nächsten 2 -3 Jahren entwickeln? Was wird aus ihrer Sicht nötig sein, um dauerhaft bestehen zu können?

Es existieren sehr viele vermögensverwaltende Fonds – warum sollten nicht auch viele digitale Vermögensverwaltungen nebeneinander existieren? Für einen Wettbewerb der Ideen ist es sogar fast die Voraussetzung, dass der Markt nicht von zwei oder drei Anbietern total dominiert wird. Ich finde die aktuelle Situation gerade aus Anlagersicht sehr attraktiv.

10.) Zu guter Letzt und wie immer an dieser Stelle: Was wollten sie schon immer über den deutschen Robo-Advisor Markt beziehungsweise den deutschen Anleger „loswerden, sind aber noch nie mit einer entsprechenden Frage „konfrontiert“ worden?

Der deutsche Robo-Advisor-Markt hat sich in den letzten Jahren vielleicht deutlich langsamer entwickelt als von vielen vermutet, aber langsam nimmt er Fahrt auf. Dabei wird sich das Angebot deutlich ausdifferenzieren. Auf der einen Seite stehen Anbieter, die extrem kostengünstige Standardlösungen anbieten (was nicht schlecht sein muss!!), auf der anderen Seite stehen Anbieter, die von der Seite der klassischen, „analogen“ Vermögensverwaltung mit viel Erfahrung und langer Historie kommen und ihr Angebot für neue Kundengruppen digitalisieren. 

Das große Spektrum der Angebote wird hoffentlich für den Anleger einen Anreiz darstellen, sich mit dem Thema Vermögensaufbau intensiver zu beschäftigen. Denn die Inflation frisst die Ersparnisse vom Girokonto, und die staatliche Rentenversicherung wird leider nicht den Lebensstandard im Alter sicherstellen, den sich viele erhoffen. 

Es geht gar nicht mehr ohne einen Vermögensaufbau mit hoher Aktienquote. Und hier ist die digitale Vermögensverwaltung eine ideale Konstruktion, um tägliche Investitionsentscheidungen zu delegieren, wenn man sie im Detail nicht selbst treffen kann oder möchte.

Zu guter Letzt

Herr Dr. Jasperneite, wir danken Ihnen vielmals für das aufschlussreiche Interview.

Zur Person – Dr. Christian Jasperneite

Dr. Christian Jasperneite studierte an der Universität Passau VWL und promovierte anschließend an der Universität Passau am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Harvard University begann er im Jahr 2000 als Analyst im Makro-Research von M.M.Warburg & CO, bevor er im Family Office der Warburg-Gruppe Chief Investment Officer wurde.

Seit Anfang 2009 ist Dr. Jasperneite Chief Investment Officer bei M.M. Warburg & CO und verantwortet dort u.a. Fragen der strategischen und taktischen Allokation sowie der Portfoliokonstruktion und der Produktentwicklung. Ein Schwerpunkt liegt zudem im Aufbau der digitalen Vermögensverwaltung Warburg Navigator und der Weiterentwicklung diverser Strategien im Bereich Faktor-Investing und der modellgestützten taktischen Allokation.

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Markus G.

Markus ist der “Kopf” des Teams. Ideengeber, Vermarkter, Redakteur und irgendwie an allem auf diesem Portal beteiligt. Ohne ihn würde es dieses Portal so nicht geben. Eine Idee – entstanden aus dem persönlichen Interesse an FinTech und nun langjähriger Erfahrungen in der Finanz-Szene. Zudem ist Markus Kolumnist auf zahlreichen Online-Plattformen – vor allem im englischsprachigen Raum (The Verge, Talkmarkets, Stockopedia, aber u.a. auch auf Focus.de
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