Mit Fidelity Wealth Expert hat die Investment-Firma Fidelity International im Jahr 2018 den deutschen Markt für Robo-Advisor betreten. Ein Eintritt, der leise erfolgte und kaum wahrgenommen wurde. Warum das so zu sein scheint und wie sich Fidelity mit seinem Robo-Advisor Angebot selbst sieht, beantwortet Claudia Barghoorn als Verantwortliche in unserem Fidelity Wealth Expert Interview.
13. Februar 2020 | Oliver S
Interview mit Claudia Barghoorn, Leiterin Privatkundengeschäft und digitale Vermögensverwaltung von Fidelity International
Wenn sich 2025 Fintech-Startups und KI-gesteuerte Algorithmen um die Aufmerksamkeit der Anleger streiten, bringt Fidelity International mit Wealth Expert eine ganz andere Dimension ins Spiel: über 50 Jahre institutionelle Asset Management-Erfahrung, gepaart mit einem globalen Netzwerk von rund 30 handverlesenen Fondsmanagern. Als einer der weltweit größten Vermögensverwalter wagte Fidelity den strategischen Schritt in die digitale Vermögensverwaltung nicht aus Notwendigkeit, sondern aus Überzeugung.
Der 2018 gestartete “Manager-of-Manager”-Ansatz verkörpert eine hybride Vision, die in der heutigen polarisierten Robo-Advisor-Landschaft zwischen reiner KI-Automatisierung und traditioneller Beratung einen dritten Weg aufzeigt. Fidelity Wealth Expert kombiniert institutionelle Expertise mit digitaler Zugänglichkeit und setzt bewusst auf aktive Strategien – ein Gegenentwurf zur ETF-dominierten Konkurrenz, der in der volatilen Marktumgebung von 2025 besondere Relevanz für anspruchsvolle Anleger gewinnt.
Claudia Barghoorn verantwortet seit Dezember 2018 als Leiterin Personal Investing und Wealth Services das Privatkundengeschäft und den strategischen Ausbau von Fidelity Wealth Expert. Die 44-Jährige bringt acht Jahre Senior Management-Erfahrung bei der Consorsbank (BNP Paribas Gruppe) mit, wo sie zuletzt als Divisional Manager für Sales and Customer Management tätig war. Ihre Expertise in der Verbindung von digitalem Vertrieb und persönlicher Kundenbetreuung macht sie zur idealen Architektin für Fidelitys hybrides Robo-Advisor-Modell.
Frau Barghoorn, Fidelity Wealth Expert ist einer der jüngeren Robo-Advisor Angebote und noch nicht lange am Markt. Die ersten Online-Vermögensverwalter gab es bereits im Jahre 2015. Warum haben Sie sich als Fidelity International erst relativ spät dafür entschieden, Kunden eine digitale Vermögensverwaltung anzubieten?
Fidelity International ist bereits seit einiger Zeit im Privatkundengeschäft in Deutschland aktiv. Vor der Einführung von Fidelity Wealth Expert im Oktober 2018 haben wir einen reinen Execution-Only-Ansatz verfolgt – für Kunden, die ihre Geldanlage selbst verwalten wollen. Mit Fidelity Wealth Expert haben wir dann eine digitale Vermögensverwaltung geschaffen für Kunden, die ihre Geldanlage delegieren möchten und eine online-basierte, aber durch persönliche Kontakte unterstützte Lösung wünschen.
Zur Frage nach der zeitlichen Dimension: Der deutsche Robo-Advisor-Markt ist noch längst nicht an dem Punkt der Wachstumskurve, wo der amerikanische Markt steht. Das zeigen auch die Zahlen von Oliver Wyman: 2018 hat sich das verwaltete Vermögen der Robos in Deutschland zwar auf 2,8 Milliarden Euro verdoppelt, blieb damit aber unter den Erwartungen von gut 4 Milliarden Euro zurück.
Das heißt: Wir stehen in Deutschland noch am Beginn der Entwicklung und sehen langfristig noch viel Wachstumspotenzial für den Robo-Advisor-Markt in Deutschland und somit auch für unseren Fidelity Robo-Advisor.
Der Kern Ihrer Investmentstrategie besteht darin, die Expertise der weltweit besten Anlagemanager von Fidelity International sowie externen Partnern zu nutzen. Sie schreiben, dass Ihre Auswahlkriterien bei der Fondsauswahl streng sind. Können Sie uns konkret einige dieser Kriterien nennen? Zudem: Wann werden Fidelity Experten genutzt und wann externe Anlage-Experten?
Die Auswahl der Manager erfolgt nach dem strengen Manager-of-Manager-Research-Prozess von Fidelity Multi Asset. Dieser Prozess beinhaltet qualitatives und quantitatives Research, um Manager mit einem reproduzierbaren Anlageprozess sowie einer nachweislichen Erfolgsbilanz bei der Generierung von Alpha zu identifizieren. Zudem gibt es ein eigenes Team für die operative Due Diligence.
Wichtig: Die strategische und taktische Asset Allocation sowie die Kapitalannahmen liegen bei Fidelity, die Umsetzung der Strategien bei den ausgewählten Managern.
Bei der Umsetzung der Investmentstrategie für Fidelity Wealth Expert wählt Fidelity nach diesem Prozess die am besten geeigneten Anlage-Experten aus, ganz unabhängig davon, ob es Fidelity Manager oder externe Experten sind. Unser Investmentansatz ist vollkommen agnostisch, Fidelity Strategien werden nicht bevorzugt.
Innerhalb des Manager-of-Manager-Ansatzes vergeben wir Mandate an insgesamt rund 30 Manager. Aktuell sind ca. 20 Prozent der Mandate Fidelity Strategien, z.B. US-Aktien oder Aktien aus Schwellenländern.
Fidelity International ist eine der größten Fondsverwalter weltweit. Daher stellen sich vermutlich zahlreiche Anleger die Frage, ob in den Portfolios von Fidelity Wealth Expert ausschließlich Fonds von Fidelity enthalten sind oder die Strategie zusätzlich mit weiteren Produkten umgesetzt wird?
Der Investmentansatz von Fidelity Wealth Expert ist vollkommen agnostisch. Das heißt: Wenn sich ein Anlage-Experte als Kenner seiner Anlageklasse, Region oder seines Sektors bewährt hat, nehmen wir ihn mit ins Boot. Unabhängig davon, ob er zu Fidelity gehört oder beispielsweise zu Goldman Sachs, PIMCO, Barings, Threadneedle oder einer Investmentboutique wie Hotchkis & Wiley, Colchester Global Investors oder Acadian.
Vergleiche zeigen nach wie vor häufig, dass Passivfonds (ETFs) nicht selten mindestens gleich gut oder sogar besser als aktiv gemanagte Fonds abschneiden. Zahlreiche Mitbewerber haben sich dafür entschieden, ihre Strategien vor allem mit ETFs umzusetzen. Ist dies eventuell auch für Sie zukünftig eine Option oder möchten Sie ausschließlich bei aktiv gemanagten Fonds bleiben?
Wir haben zunächst mit aktiven Strategien begonnen. Selbstverständlich prüfen wir regelmäßig, wie sich die Nachfrage nach passiven Lösungen in der digitalen Vermögensverwaltung entwickelt.
Als aktiver Fondsmanager mit über 50 Jahren Erfahrung als Vermögensverwalter sind wir bei Fidelity von der langfristigen Outperformance aktiver Investmentstrategien überzeugt – insbesondere im jetzigen Marktumfeld nach einem Jahrzehnt Bullenmarkt. Gleichzeitig wissen wir, dass es nicht den einen „richtigen” Weg gibt, in Märkte zu investieren.
Ob aktive, passive oder Smart-Beta-Strategien – alle Ansätze haben ihre Berechtigung.
Mit jährlichen Gesamtkosten von rund 1,2 Prozent zählt Fidelity Wealth Expert zwar nicht zu den günstigsten Robo-Advisors. Allerdings sind die Gebühren unter dem Aspekt „aktiv gemanagte Fonds” durchaus günstig. Insbesondere bei der All-In-Fee von 0,55 Prozent entsteht der Eindruck eines „Einstiegsangebots”. Spiegelt sich hier die Größe von Fidelity wieder? Oder haben Sie geplant, die Kosten in den kommenden Jahren nicht zu erhöhen?
Es ist kein Einstiegsangebot. Fidelity Wealth Expert ist ein preislich sehr attraktives Angebot für Kunden, die eine qualitative Vermögensverwaltung verbunden mit aktivem Management durch Experten suchen. Unsere Preisgestaltung ist einfach und transparent.
Mit Ihrem Slogan „Das Beste aus zwei Welten” verdeutlichen Sie, dass sich Anleger nicht entscheiden müssen, ob sie ihr Kapital einem Robo oder einem menschlichen Experten anvertrauen möchten. An welcher Stelle des Auswahlprozesses und der Umsetzung Ihrer Strategien setzen Sie aktuell Algorithmen ein?
Die aktiven Anlageentscheidungen werden von den Investment-Experten, also von Menschen getroffen. Diesen liegen natürlich computergestützte Analysen zugrunde. So überwacht unsere Discretionary Fund Management (DFM)-Algorithmus die Kundenportfolios und erkennt täglich Abweichungen der Asset Allocation vom vorgegebenen Soll-Niveau.
Wenn eine Abweichung festgestellt wird, wird eine Handelsanweisung gesendet und das Portfolio wird automatisch wieder auf das für den Kunden geeignete Niveau ausgeglichen. Der Prozess erfolgt für Aufstockungen und Entnahmen.
Da Fidelity Wealth Expert noch relativ neu am Markt ist, können interessierte Anleger eine zukünftige Wertentwicklung simulieren. Dabei geben Sie an, dass 1.000 Szenarien simuliert werden, und das in wenigen Sekunden. Auf welcher Basis ist es möglich, in dieser kurzen Zeit tatsächlich 1.000 unterschiedliche Szenarien durchzurechnen?
Im Jahr 2019 haben die sieben verschiedenen Portfolios zwischen 6,14% und 16,59% Rendite erzielt (Rendite nach Kosten).
Zur Simulation: Um zu zeigen, wie die Chancen für ein Portfolio mit mittlerem Risikoprofil stehen, haben wir 1.000 Szenarien zugrunde gelegt. Grundlage dieser Berechnungen sind zum einen historische Daten und zum anderen die Prognosen für die betreffenden Anlageklassen. Die Kosten des Portfolios haben wir bereits mit eingerechnet.
Das Spektrum der möglichen Wertentwicklungen beruht auf einer Simulation mit ausgewogener Verteilung der Gelder in Fonds, die in Anleihen, Aktien, alternativen Finanzinstrumenten und Liquidität investieren. Die Simulation berücksichtigt die Auswirkungen von langfristigen Annahmen auf die annualisierten Renditen der verschiedenen Anlageklassen.
Des Weiteren basiert die Simulation auf der Annahme, dass unser Expertenteam Anlagen auswählt, die langfristig gesehen bessere Ergebnisse erzielen als eine durchschnittliche Marktentwicklung. Dazu prognostizieren wir verschiedene makroökonomische Szenarien und wie die Zentralbanken weltweit darauf reagieren, indem sie ihre Zinssätze anpassen.
Der Mindestanlagebetrag beläuft sich bei Fidelity Wealth Expert auf 5.000 Euro. Etwas erstaunt hat uns allerdings, dass Sie die mögliche Anlagesumme auf 2,5 Millionen Euro pro Kunde begrenzen. Warum haben Sie sich für diese Deckelung entschieden?
Diese Deckelung ist technisch bedingt, da wir SEPA Lastschriften bis maximal 2,5 Mio EUR akzeptieren. Natürlich ist die Investition in Fidelity Wealth Expert auch mit größeren Investitionssummen möglich. Diese sind dann in 2,5 Mio EUR Tranchen zu investieren.
Das Thema Nachhaltigkeit nimmt für immer mehr Anleger einen großen Stellenwert ein und wird inzwischen von mehreren Ihrer Mitbewerber berücksichtigt. Möchten Sie zukünftig ebenfalls einen Schritt Richtung größerer Individualisierung und Auswahlmöglichkeit durch die Kunden gehen?
Für die Portfolios von Fidelity Wealth Expert bieten wir aktuell keine spezifische ESG-Lösung an. Aber verantwortungsvolles Investieren ist ein integraler Bestandteil des gesamten Anlageprozesses bei Fidelity. Seit 2012 sind wir Unterzeichner der Prinzipien für Verantwortliches Investieren der Vereinten Nationen.
Wir sind überzeugt, dass ein verantwortungsvoller Anlageprozess, der systematisch Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien berücksichtigt, zu soliden und langfristigen Renditen für unsere Kunden beitragen kann.
Seit vergangenem Jahr arbeiten wir darüber hinaus mit unseren eigenen Nachhaltigkeitsrankings für alle 3.300 Aktien und Anleihen unseres Investment-Universums. Seit Ende 2019 sind alle Emittenten auf Nachhaltigkeit geprüft. Ziel ist eine vorausschauende Einschätzung über die Nachhaltigkeitsbemühungen von Unternehmen zu schaffen.
Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Wodurch wird die Entwicklung der digitalen Vermögensverwalter Ihrer Einschätzung nach in den kommenden Jahren geprägt sein? Werden noch deutlich mehr Robo-Advisors an den Markt treten oder wird es eher weitere Online-Vermögensverwalter geben, die ihr Angebot wieder zurückziehen?
Wie schon eingangs festgestellt, befindet sich der Robo-Advisor-Markt in Deutschland noch am Anfang und bildet sich erst heraus. Das heißt, dass wir in diesem Marktsegment noch viele Chancen sehen. Wir rechnen damit, dass die Nachfrage nach einer digitalen Vermögensverwaltung zukünftig weiter steigen wird – durch die Veränderungen im Verbraucherverhalten wie die stärkere Digitalisierung auch bei der Geldanlage.
Wir sind fest davon überzeugt, dass insbesondere hybride Modelle, also die Kombination aus digitaler Beratung und menschlicher Expertise, gefragt sein werden. Dieses Modell wird von unseren Kunden stark nachgefragt: Ca. 70 bis 80 Prozent nutzen beide Wege, um mit uns in Kontakt zu treten.
Chancen sehen wir insbesondere auch im Ausbau der Robo-Advisor-Angebote in Richtung B2B und B2B2C über die Kooperation mit Unternehmen.
Frau Barghoorn, wir danken Ihnen vielmals für dieses sehr interessante und aufschlussreiche Interview!
Interview geführt im Rahmen der Serie „10 Fragen an…” zur digitalen Vermögensverwaltung in Deutschland. Alle Angaben entsprechen dem Stand zum Zeitpunkt des Interviews und ohne Gewähr.
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Zuletzt aktualisiert am 4. August 2025 by Redaktion