Minveo - das Fintech aus München ist einer der wenigen Anbieter im hiesigen Robo-Advisor Markt, die sich, was das Thema Marketing angeht, eher zurückhalten und auf das konzentrieren, was sie können - investieren. Das zeigt ein Blick auf die Wertentwicklungen der Anlagestrategien. Was das Geheimnis ist, wollten wir im Rahmen eines Minveo Interviews erfahren
30. Mai 2020 | Oliver S
Fragt man in Deutschland nach Anbietern für digitale Geldanlagen, dann fallen den meisten Menschen wohl am ehesten Anbieter wie Scalable, growney ComInvest, Quirion, Ginmon, Whitebox und VisualVest ein. Anbieter, die sich aufgrund entsprechender Marketing-Aktivitäten in der “Szene” eine gewisse Reichweite und somit Wahrnehmung geschaffen haben. Dabei ist der Markt für den digitalen Vermögensaufbau in den letzten 18 Monaten kontinuierlich gewachsen und neue Mitspieler haben das Feld “Robo-Advisor” betreten.
Einer dieser neuen und im Vergleich zu den bereits genannten Robo-Advisorn eher weniger bekannten Spieler ist das Münchner FinTech Unternehmen MINVEO. In seinem Ursprung eigentlich ein sogenannter B2B (Business to Business) Anbieter hat das Unternehmen dennoch mit einem hauseigenen Robo-Advisor den Sprung in den Markt für private Geldanlagen gewagt.
Wir wollten Johannes Schubert, dem COO des FinTechs wissen, warum dieser Schritt gewagt wurde und was das Geldanlage Angebot von Minveo für Kunden interessant macht. Was bedeutet: Es war mal wieder an der Zeit für ein hochinteressantes Gespräch. Im Folgenden also nun das Minveo Interview.
1.) Herr Schubert, bis vor knapp einem Jahr richtete sich das Angebot von Minveo ausschließlich an gewerbliche Kunden, im Besonderen an Banken, Vermögensverwalter sowie Family-Offices. Mittlerweile zählen Privatkunden ebenfalls zur Zielgruppe von Minveo. Warum haben Sie sich dazu entschieden, als sogenannter Robo-Advisor auch in das Privatkundensegment zu gehen?
Unser Fokus bleibt auch zukünftig das B2B-Segment, dort erzielen wir mit unserer Lösung den größten Impact. Das Privatkunden-Segment ist uns allen eine Herzensangelegenheit. Ich persönlich hatte den Impuls für Minveo in dem Moment, als ich feststellte, dass es keine gute, ehrliche und zugleich erschwingliche Geldanlage für mich als Normalanleger gibt.
Beide Segmente laufen bei uns zwar parallel, unterscheiden sich natürlich jedoch in der Tiefe und den Anforderungen unserer Kunden. Langfristig glauben wir an den Erfolg beider Ausrichtungen.
2.) Das Geschäftsmodell von Minveo sieht eine optimale Mischung zwischen Fachkompetenz und Erfahrungen von Experten sowie innovativer technischer Unterstützung vor. Sie geben beispielsweise an, dass die Märkte automatisiert und in Realtime 24 Stunden täglich gescannt und beobachtet werden. Wie sieht diese Überwachung im Detail aus und wann findet auf dieser Grundlage eine Umschichtung in den Portfolios statt?
Wir beobachten und analysieren die Märkte tagesaktuell anhand von 23 Variablen in einem Zusammenspiel aus Mensch und Maschine. Die heute verfügbaren Datenmengen kann kein Mensch mehr in der erforderlichen Tiefe, Geschwindigkeit und vor allem Neutralität verarbeiten. Hier unterstützt das System unser erfahrenes Wealth Management Team.
Ein Beispiel: Passiert etwas in Japan und wird im Zusammenspiel der Metriken ein Risiko erkannt, passen wir das Portfolio unserer Kunden am selben Tag an.
Wichtig: Es findet keine Umschichtung in andere Anlagenklassen statt, um neue Risiken auszuschließen.
3.) Ein hervorzuhebendes Merkmal besteht bei Minveo – insbesondere im Vergleich zu den meisten Mitbewerbern – in der großen Anzahl individueller Strategien. Auf Basis des manuell zusammengestellten Portfolios, der Risikominimierung sowie des aktiven Managements existieren über 60 individuelle Strategien. Wie schafft Minveo es in der Praxis, tatsächlich so viele unterschiedliche Strategien zu verfolgen und worin bestehen die – sicherlich manchmal recht geringen Unterschiede – innerhalb der Strategien?
Ein Anzug von der Stange sieht ebenfalls gut aus, aber ein Maßanzug eben besser. Der Anspruch ist höchste Qualität und die Antwort liegt im Kern in unserer Technologie. Ist die Anlagestrategie einmal erstellt, ist es egal, ob die Plattform 50 oder 5 Mio. Kunden managt.
Die Unterschiede sind nicht unerheblich: Legt bspw. ein Familienvater 1.000 EUR, 100.000 EUR oder 1.000.000 EUR an, macht das große Unterschiede in Auswahl und Management der Finanzprodukte aus.
4.) Zahlreiche Robo-Advisors nutzen zur Umsetzung ihrer Strategien ausschließlich ETFs. Minveo hingegen hat sich ganz bewusst für eine aktive Strategie entschieden, die vor allem beinhaltet, dass neben ETFs noch einige weitere Finanzinstrumente zum Einsatz kommen. Dazu zählen insbesondere Aktien, Staatsanleihen, Unternehmensanleihen, Immobilien, Geldmarktpapiere und Rohstoffe. Warum sind Sie der Meinung, dass eine Mischung mehrerer unterschiedlicher Finanzprodukte im Portfolio zu einem besseren Ergebnis für den Kunden führt als das ausschließliche Investment mittels ETFs?
So haben wir schlicht mehr Möglichkeiten, die Portfolios breit zu diversifizieren und flexibel an die jeweilige Marktlage auszurichten. Viele argumentieren mit der Kosteneffizienz reiner ETF-Portfolios, was für kleine Anlagebeträge richtig ist und wir genauso machen. Doch bereits für Anlagebeträge ab ca. 50.000 EUR greift das zu kurz.
Bei entsprechender Auswahl überwiegen die Vorteile aktiv gemanagter Produkte deutlich, vor allem in schwierigen Marktlagen. Wir kombinieren daher die Stärken der verschiedenen Produkte mit der Vielzahl an Anlageklassen, um die persönliche Präferenz und Situation unserer Kunden jederzeit passgenau abzubilden. Zwar steigt dadurch die Komplexität im täglichen Asset Management erheblich an, aber für Kunden bedeutet sie einen deutlichen Mehrwert.
5.) Minveo richtet sich augenscheinlich bewusst nicht nur an vermögende Privatkunden, sondern ebenfalls an Sparer und Kleinanleger. Dies wird durch die äußerst geringe Mindestanlagesumme von 50 Euro deutlich. Nicht wenige Mitbewerber, bei denen die Mindestanlagesumme deutlich höher liegt, argumentieren damit, dass sich ihr Geschäft bei lediglich drei- oder sogar vierstelligen Mindestanlagesummen nicht rentieren würde. Warum ist das bei Minveo anders und weshalb können Sie nahezu jedem Anleger Ihr Angebot zugänglich machen?
Wir haben von Anfang an sehr gezielt die Plattform und unsere Strukturen auf Effizienz ausgelegt. Das ist eine der Kernanforderungen im B2B-Kontext. Die 50 Euro Mindestanlage ist die prominenteste Ausprägung der maximalen Automatisierung ohne unnötige Prozesse und Personalaufwände. Fairerweise sollte man erwähnen, dass wir mit 1% Minveo-Gebühr im oberen Drittel der Robo-Advisor zu finden sind.
Unsere Kunden erhalten jedoch auch gleichzeitig mehr: Passgenaue Anlagestrategien, aktives Management unterstützt von künstlicher Intelligenz sowie wesentlich komplexere Portfolios aus einer vollständigen Investment-Klaviatur.
6.) Die Anlageklassen werden bei Minveo in die drei Gruppen „vorsichtig“, „optimistisch“ und „ambitioniert“ unterteilt. Ein „vorsichtiges“ Portfolio hat einen deutlich geringeren Aktienanteil als ein ambitioniertes. Dennoch sind in allen drei Varianten sowohl Rohstoffe als auch Hochzinsanleihen enthalten, die bekanntlich ein hohes Risiko besitzen. Andere Robo-Advisors schließen Rohstoffe und Hochzinsanleihen – insbesondere in einem sicherheitsorientierten Portfolio – aus. Warum hat sich Minveo dafür entschieden, zumindest zu einem kleineren Teil auch auf Hochzinsanleihen und Rohstoffe zu setzen?
Sie haben sicher unsere Website im Blick und die dortige schematische Darstellung für ausgewählte Risikoprofile. Natürlich haben Rohstoffe und Hochzins-Anleihen eine höhere Risikoklasse, aber dafür auch höhere Chancen. Unser Anspruch ist es, diese Risiken aktiv zu managen und die sich ergebenen Chancen zu nutzen.
Dazu überprüfen wir kontinuierlich das Anlage-Universum sowie die getroffene Auswahl und nehmen dort eine Änderung vor, wenn notwendig. So wie in der derzeitigen Marktlage, in der wir Hochzins-Anleihen den meisten Anlagestrategien entnommen haben.
7.) Die erste Frage in Ihrem FAQ-Bereich lautet: „Warum duzen Sie mich?“ Sie beantworten diese Frage damit, dass Respekt und Ernsthaftigkeit nicht vom Siezen abhängig sind und ihnen ein unkomplizierter Dialog auf Augenhöhe wichtig ist. Nehmen Sie nicht dennoch wissend in Kauf, dass es vermutlich eine Reihe von potenziellen Kunden gibt, die ein „Du“ insbesondere im Finanzbereich als befremdlich ansehen und sich vielleicht deshalb sogar für einen Mitbewerber entscheiden? Denn während ein „Sie“ definitiv keinen Anleger abschrecken wird, gibt es doch vor allem in der etwas älteren Bevölkerung nach wie vor die Auffassung, dass die Anrede „Sie“ eine gebräuchliche und wichtige Höflichkeitsform ist.
Gerade kürzlich sagte uns eine Kundin mittleren Alters und Lehrerin, dass die Minveo Website die erste Finanzseite gewesen sei, die sie nicht nach ein paar Sekunden wieder geschlossen hat. Bei Minveo denken wir Dinge neu und hinterfragen bestehende Konventionen und Lösungen der Finanzbranche.
Konsequenterweise tragen wir diesen Geist auch in die Ansprache hinein. Fühlt sich ein Interessent mit einer förmlicheren Ansprache dennoch wohler, ist dies natürlich in der direkten Interaktion ebenfalls möglich. Wir möchten niemandem das „Du“ aufzwingen.
8.) Sie legen viel Wert auf Ihr Risikomanagement, was machen Sie anders als andere Anbieter?
Die Verflechtungen der Märkte untereinander, die verfügbaren Datenmengen und die Geschwindigkeiten sind derart enorm geworden, dass kein Mensch mehr diese überblicken kann. Nur ein Beispiel: jeden Tag erscheinen ca. 90.000 Finanzartikel. Genau hier setzt unser quantitatives System an. Es analysiert Tag für Tag verschiedene Live- und Vergangenheitsdaten in einer Größenordnung, die dem Inhalt von 400.000 Bibeln entspricht.
Zudem setzt es selbstlernende Algorithmen ein, statt starrer, weil vorprogrammierter Heuristiken. So liefert es relevante Informationen und macht im Zusammenspiel mit der Erfahrung unseres Wealth Management Teams ein dynamisches Management wieder möglich – ein echtes Upgrade.
9.) Abschließend möchten wir Sie um eine persönliche Einschätzung bitten, wie sich der Markt der Online-Vermögensverwalter bzw. Robo-Advisors in den kommenden Jahren entwickeln wird. Welche Strategien der Robo-Advisors werden sich Ihrer Meinung nach durchsetzen, wie viele Anbieter verträgt der Markt in diesem Segment und was muss Minveo tun, um auch in fünf Jahren noch eine gute Marktposition zu haben?
Das Interesse steigt, doch vom Mainstream sind wir noch ein gutes Stück entfernt. Aus unserer Sicht wird das Segment der digitalen Vermögensverwalter mit der nächsten großen Krise weiter an Aufmerksamkeit gewinnen. Dann wird sich zeigen, wer das Risikomanagement im Griff hat. Ob die etablierten Anbieter aus dem letzten großen Börsencrash 2007 / 2008 die richtigen Schlüsse gezogen haben oder ob die Ansätze der neuen Player, als welche wir uns betrachten, greifen.
Minveo sehen wir gut für die Zukunft aufgestellt. Solch eine Komplexität der Anlage und ein Risikomanagement mit Big Data und Machine Learning bietet bislang kein anderer Anbieter. Erst recht nicht zu Konditionen, die für alle Kundensegmente attraktiv sind.
Herr Schubert, wir danken Ihnen vielmals für dieses Interview und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg!
Johannes Schubert war, bevor er Minveo gegründet hat, bei SAP und in der Finanzbranche als Senior Consultant bei zeb tätig. Johannes hat BWL mit dem Schwerpunkt Finance an der Universität Mannheim und Business School EGADE, Tecnólogico de Monterrey studiert.
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Zuletzt aktualisiert am 26. September 2022 by Redaktion