Wertpapierkredit: Erobern Robo-Advisor bald auch den Kreditmarkt?

Wertpapierkredit vom Robo-Advisor – fixe Idee oder lohnenswertes Angebot? Wer sich auch nur ein wenig mit dem Thema Robo-Advisor auskennt, der weiß, dass es sich dabei um nichts anderes als moderne, digitale Kapitalanlage-Angebote handelt. Und eben jene Robo-Advisor beziehungsweise Online-Vermögensverwaltungen sind bestrebt, Anlegern und Sparern eine Alternative zur klassischen Vermögensverwaltung zu bieten. In Form einfacherer und vor allem kostengünstigerer Leistungen, die Kunden schon ab einer deutlich geringeren Mindesteinlage nutzen können, als es bei der klassischen Vermögensverwaltung der Fall ist. Und jetzt hat zumindest ein erster Robo-Advisor ein ganz neues Geschäftsfeld für sich entdeckt, nämlich die Kreditvergabe. Kann ein solch moderner Wertpapierkredit (Lombardkredit) zu einem Trend werden, ziehen eventuell noch weitere Robo-Advisor nach?

Wertpapierkredit: Potenzielles Zusatzgeschäft auch für Robo-Advisor? » RoboAdvisor-Portal.com - das Infoportal

Oliver S.

Zuletzt aktualisiert am: 14. Juli 2023

Wertpapierkredit - neues Zusatzgeschäft für Robo-Advisor Anbieter?

25. Mai 2020

Was ist ein Wertpapierkredit?

Zugegeben – so ganz neu ist die Idee der Erweiterung einer Online-Vermögensverwaltung um andere Finanz-Angebot nicht. Sei es, dass man einen Neo-Broker startet (Scalable Capital als Beispiel), man Altersvorsorge-Produkte anbietet oder sich als B2B Partner (bspw. Investify, growney, Minveo etc. ) platziert. Aber Kreditvergabe? Das ist nun mal etwas ganz Anderes! Aber warum nicht? 

Zuerst mal die grundlegende Definition dessen, was ein Wertpapierkredit (Lombardkredit) überhaupt ist: 

Im Grunde handelt es sich hierbei um einen Dispokredit in Zusammenhang mit dem eigenen Wertpapier-Depot. Bedeutet im Klartext, dass bei Bedarf an solchen einem Kredit, das Depot mit seinen Anlageklassen analysiert und bewertet wird. Hieraus ergibt sich dann eine Summe X, die dem Depotinhaber in Form eines, durch den Depotwert abgesicherten, zusätzlichen finanziellen Spielraum gibt.

Dabei bewertet die Bank eg. Broker, wie bereits erwähnt, die im Depot liegenden Anlageklassen prozentual und ebenso unterschiedlich. Dies kann beispielsweise wie folgt aussehen >>

 

  • Maximaler Beleihungswert Aktien >> bis zu 75 %
  • Maximaler Beleihungswert Fonds >>bis zu 70 %
  • Maximaler Beleihungswert Anleihen >> bis zu 60 %
  • Maximaler Beleihungswert Zertifikate >> bis zu 50 %
  • Maximaler Beleihungswert Gold >> bis zu 40 %
  • Andere Asset-Klassen (wie z.B. Optionsscheine) >> keine Beleihung

Oftmals finden bei diesen “Richtwerten” aber noch weitere Maßstäben der Bewertung Anwendung wie beispielsweise

 

  • Staatsanleihen oder Unternehmensanleihen?
  • passive ETFs oder aktiv gemanagte Aktienfonds?
  • Aktien aus Industrie- oder Schwellenländern? Stabilen oder hochvolatilen Märkten und Industrien?

etc.. Die Wertpapiere dienen dem Lombardkredit also als entsprechende bewertetes Pfand. Nicht selten muss der Wert des Depots zusätzlich eine Art Mindestwert als unterste Beleihungsgrenze erreichen. Diese kann zwischen einer Summe von mindestens 3.000 € bis hin zu 5.000 € je nach Anbieter bewegen.

Achtung: Zudem muss bei einem Wertpapierkredit stets im Auge behalten werden, dass ein sinkender Depotwert fast immer zur Folge hat, dass der gewährte Wertpapierkredit / Lombardkredit dem neuen Depotwert angepasst wird. In dem Fall kann eine solche Neubewertung auch zu einem Verkauf von Wertpapieren führen, um das Kreditkonto auszugleichen! Zudem muss auch hier beachtet werden, dass für einen solchen Lombardkredit Zinsen anfallen, die sich zumeist auf dem Niveau normaler Ratenkredite bewegen.

Dennoch: Für die Broker ein durchaus einträgliches Geschäft, warum also nicht auch für die hiesigen Robo-Advisor Anbieter?

Beispiel USA: Wealthfront Inc. steigt in den Kreditmarkt ein

Die Initialzündung kommt dabei mal wieder aus den USA, denn der erste Robo-Advisor, der seine Produktpalette insoweit erweitert, als dass er neben der klassischen Vermögensverwaltung auch Kredite vergeben möchte, ist Wealthfront Inc.. Auf seinem Blog teilte das Unternehmen kürzlich mit, dass es zukünftig über seine Plattform auch Darlehen in einer Art “Wertpapierkredit” offerieren möchte. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit RBC Capital Markets LLC.

Wertpapierkredit / Lombardkredit beim Robo-Advisor
US Roboadvisor macht es vor – die Vergabe von Kredite, die mit Wertpapieren beziehungsweise dem Depotwert besichert sind

Die Besonderheit besteht darin, dass die Kredite ausschließlich an Kunden vergeben werden, die bereits die Vermögensverwaltung von  Wealthfront nutzen. Wer als Anleger mindestens 100.000 Dollar über Wealthfront investiert hat, der kann sich von diesem Betrag einen Gegenwert von bis zu 30 Prozent als Darlehen leihen. Es handelt sich demnach bei dem vergebenen Darlehen um eine moderne Art des Wertpapierkredit. Denn das jeweilige Portfolio mit dem vorhandenen Vermögen dient hierbei als Sicherheit für den vergebenen Kredit.

Geteilte Meinungen in der Branche

Auf der einen Seite geht der Robo-Advisor Wealthfront mit der zukünftigen Vergabe von Krediten einen ganz neuen Weg, der sicherlich einige neue Kunden bringen und Märkte eröffnen wird. Auf der anderen Seite herrscht in der Branche bisher allerdings noch Skepsis vor, ob die Kreditvergabe durch eine Online-Vermögensverwaltung tatsächlich zu einem echten Wettbewerbsvorteil werden könnte.

Ein Vorteil der Kredite könnte für den Anleger bzw. Kreditnehmer darin bestehen, dass die Darlehen zu relativ günstigen Zinssätzen vergeben werden können. Ganz bewusst haben sich bereits einige Robo-Advisor gegen die zukünftige Vergabe von Krediten entschieden Sie wollen sich stattdessen vollends auf ihr Kerngeschäft der Geldanlage und Vermögensverwaltung konzentrieren.

Wealthfront sieht im Kreditgeschäft überwiegende Vorteile

Aufgrund der Tatsache, dass zum einen der Gegenwert des Portfolio als Sicherheit dient und der Kredit zum anderen maximal 30 Prozent des Wealthfront Portfolios betragen darf, ist das Ausfallrisiko für den Kreditgeber äußerst gering. Hinzu kommt noch ein weiterer Vorteil, nämlich dass der Kredit praktisch, schnell und günstig ist, wie es Wealthfront in seinem Blog darstellt.

Innerhalb von 24 Stunden kann der Kredit – auch via Smartphone – abgerufen werden und ist damit deutlich schneller verfügbar, als es bei den meisten anderen Darlehen der klassischen Banken oder anderer Kreditgeber der Fall ist.

Persönliche Meinung: “Digitaler” Wertpapierkredit durchaus ein Vorhaben mit Zukunft

Als gelernter Bankkaufmann und Finanzredakteur bin ich seit Jahrzehnten sowohl mit dem Anlage- als auch dem Kreditbereich bestens vertraut. Meiner Meinung nach handelt es sich bei der geplanten Kreditvergabe durch die Online-Vermögensverwaltung Wealthfront um ein durchaus interessantes Vorhaben, welches sicherlich auch andere Robo-Advisor zumindest in Erwägung ziehen sollten und entgegen bisheriger Beteuerungen wohl letztendlich auch werden.

Geldanlage und Kredite zu „kombinieren“, ist ohnehin schon seit vielen Jahren üblich, insbesondere im Bereich sogenannter Wertpapierkredite. Nichts anderes würde der Geldverleih durch einen Robo-Advisor darstellen, denn das Portfolio des Anlegers dient dabei als Sicherheit für das verliehene Geld.

Ob das Konzept allerdings auf Dauer erfolgreich ist, wird meiner Meinung nach vor allem darauf ankommen, wie sich die Konditionen beim einzelnen Robo-Advisor gestalten. Meiner Auffassung nach sollte der prozentuale Verleih des Geldes im Verhältnis zum Portfolio nicht mehr als maximal 40 Prozent betragen, damit ein gutes Risikopolster vorhanden ist.

Natürlich kann das Portfolio auch einmal an Wert verlieren, sodass sich in diesem Fall das Risiko für den Robo-Advisor erhöhen würde. Sollten es die Anbieter allerdings schaffen, die Kredite zu etablieren und dabei günstig zu sein sowie weitere Vorteile anzubieten, wie zum Beispiel den schnellen Abruf des Kredites über Smartphone, könnte es sich durchaus um ein zusätzliches Geschäftsmodell handeln, welches auf Dauer erfolgreich sein kann.

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Oliver S.

Oliver S.

Oliver ist der Journalist im Team. Ausgebildeter Banker (Hypo Vereinsbank), hat hohes Maß an spezifischem Finanzwissen und ist einer der bekanntesten Schreiberlinge in der Finanz-Szene. Er das Thema Finanzen in einer Leichtigkeit, die seinesgleichen sucht. Nicht ohne Grund hat Oliver unter anderem auch für die Huffington Post geschrieben. Zudem ist er bis heute auch als Redakteur für FTD.de (ex Financial Times Deutschland) als auch auf Unternehmerhandbuch.de tätig. Kümmert sich hier um alles, was mit dem Thema Finanzwissen, Interviews und News zu tun hat.

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