Robo-Advisor: Nicht vertrauenswürdig, aber warum?

Es ist mal wieder soweit: Die Finanzwelt übt sich in Sachen Robo-Advisor in Uneinigkeit. Da macht sich nun (mal wieder!) ein Artikel in der Presse breit , der mit der Schlagzeile „Die Deutschen trauen den Robo-Advisorn nicht“ für ein entsprechendes Echo sorgt. Und Sie sind alle mit dabei – allen voran „Die Welt, FAZ, Wirtschaftswoche, Heise etc.“ 

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Markus G

Zuletzt aktualisiert am: 17. Juli 2023

Robo-Advisor nicht vertrauenswürdig

4. September 2019

Aus gutem Grund, denn die Beratungsgesellschaft Oliver Wyman, die zweifellos eine entsprechende Reputation hat und gerade auch in Bezug auf Analysen des Robo-Advisor Marktes hervor sticht, kommt zu dem Schluss, dass der hiesige Robo-Advisor Markt den Prognosen deutlich hinterherhinkt. Da wird dann Alexander Hübner, seines Zeichens Consultant bei Oliver Wyman, damit zitiert, dass „die Hoffnungen der Branche sich bis dato nicht erfüllt haben“.

Nein, haben sie wirklich nicht. Auch hier ist die Aussage der Berater völlig korrekt, dass viele Anbieter es bis dato verpasst haben eine wirkliche „Marke“ aufzubauen (im Fachjargon auch gern als „Brand Awareness“ tituliert), Kosten der Neukunden-Akquise und schlicht ihre vermeintliche Zielgruppe und deren Verhalten unterschätzten. Von der möglichen Adressierung einer komplett falschen Zielgruppe mal ganz abgesehen.

Nur ist das dann gleichbedeutend damit, dass der Deutsche dem Robo-Advisor nicht traut? Oder kann die bescheidene Entwicklung darin begründet liegen, dass der Anleger dem Kapitalmarkt generell einen hohen Prozentsatz des notwendigen Vertrauens nach all den Krisen und Skandalen in den letzten Jahren entzogen hat?

Mangelnde Akzeptanz der Robo-Advisor? Die Medien tragen ihren Teil dazu bei

Punkte, die auch Oliver Wyman als einen der möglichen Hauptgründe anführt, warum das Geschäft mit der digitalen Geldanlage stockt. Doch bei ehrlicher und halbwegs objektiver Betrachtung fällt vor allem eins massiv auf:

Die stetig bestehende und immer wieder erneuerte Kritik am digitalen Geldanlage-Angebot hat ihr Übriges dazu getan. Allein die abermalig aufgeführte Forderung des Verbraucherschutzverbandes nach Offenlegung der Algorithmen, also jenem Element, dass einen Robo-Advisor ausmacht, die, bei allem Verständnis, im Grunde der Forderung gleicht, endlich die Coca Cola Formel öffentlich zu machen, ist ein gutes Beispiel der Negativ-Presse.

Stichwort Performance: Wie realistisch sind Erwartungshaltungen?

Hinzu kommt, dass immer wieder deutlich gemacht wird, dass die Performance der Robo-Advisor nicht den Erwartungen entspricht – gerade auch im Vergleich zu selbst gebastelten ETF Sparplänen oder eben den klassischen Investmentfonds Angeboten der Banken und Fondsgesellschaften. Und wo dann auch gerade das Thema Performance angesprochen wird: Wie realistisch sind eigentlich diese Erwartungshaltungen hinsichtlich „Über-Rendite“? Klare Antwort? Schlicht falsch.

Wobei das ein, innerhalb der Robo-Advisor Branche eher hausgemachtes Thema ist. Schaut man sich die Anfänge des Marktes und derer Protagonisten an, so fällt bei deren Aussagen in Form von Interviews vor allem eins auf: „Wir werden es besser machen – effizienter, performanter und günstiger!“ Und genau darin lag der bis dato den Markt beeinflussende Fehler, denn diese Aussagen versprachen, wenn auch ohne konkrete Zahlen zu nennen, eben eine mögliche Outperformance.

Doch die ist bei keinem einzigen Anbieter zum heutigen Zeitpunkt wirklich eingetreten – zumindest nicht in einer Ausprägung, welchen dem Markt der Anleger zu verstehen gegeben hätte „Hey schau her – das ist der herausragende Effekt einer digitalen Geldanlage!“ Stattdessen? So manch ein Anleger reibt sich ernüchtert die Augen, weil ein Blick in sein Depot offenbart: Ups – geringe einstellige Performance oder gar Verlust! Vorbei ist es mit der Herrlichkeit der Robo-Advisor.

Betrachtung Anlagehorizont: Andere Maßstäbe bei Robo-Advisorn?

Stellt sich die faire Frage: Ist aber gerade auch das nicht normal? Jedes Anlageinstrument erlebt Höhen und Tiefen, die Frage ist dabei immer in welchem Ausmaß – zugegeben. Aber nur weil ein Robo-Advisor, der das Wort „Robo“ nutzt, muss dies nicht gleichbedeutend mit „Hyper-Intelligenz“ sein, die dem Depot stetig zweistellige Performance-Werte nach Abzug von Kosten beschert. Insofern sollte man anstatt den Robo-Advisor selbst zu kritisieren, mehr herausstellen, wie ein Robo-Advisor arbeitet – und zwar ohne dabei den Algorithmus ins Detail zu zerlegen (was vermutlicherweise das Gros potentieller Anleger ohnehin nicht wirklich interessieren dürfte!). Aber eben auch betont, dass auch ein Robo-Advisor anhand mathematischer Berechnungen (Analyse-basiert) Annahmen trifft, die eintreten können – oder aber auch nicht!

Und zu guter Letzt, wo man dann schon mal beim Thema Performance ist: Dieselben Experten, die Robo-Advisor kritisieren und dabei das Argument schlechter Performance nutzen, sollten sich ob der Berechtigung ihrer Kritik hinterfragen – Stichwort: Anlagehorizont!

Den auch Sie werden nimmer müde in anderen zahlreich existierenden „Ratgeber-Artikeln“ immer wieder die Kuh mit der Aufschrift „Nur langfristig ausgerichtete Anleger holen das meiste raus“ durch das Dorf zu treiben. Einem Anleger, der sein Geld in klassischen (von Menschenhand geführten) Investmentfonds investiert, wird fast Gebetsmühlen-artig der Begriff des möglichst langen „Anlagehorizonts“ vorgekaut. Nur einem Robo-Advisor wird nach 1-2 Jahren Anlagezeitraum sofort eine Minderperfomance attestiert. Gleichbedeutend mit „unsinniges Angebot“. Nun ja!

Echtgeld Test zeigt: So schlecht arbeitet das Gros der Robo-Advisor nicht

Aber zum Glück gibt es an der einen oder anderen Stelle auch kleine Lichtblicke, so auch konträr zum aktuellen Negativ-Bericht in der vorgenannten Online-Medien. So ergab eine repräsentative Analyse des Echtgeld-Depots von Brokervergleich.de, das die Performance der Robo-Advisor Anbieter aktuell bei einem Betrachtungszeitraum von 6 Monaten eine durchaus solide Performance aufweist.

„Die Werte für Mai bis Juli 2019 lagen zwischen +0,2 und +3,2 Prozent. Lediglich ein Anbieter landete im Minus (-3,5 Prozent), was aber primär an diversen Umschichtungen im Rahmen eines Strategiewechsels lag. Im Durchschnitt erzielten die 19 Anbieter im Test einen Wert +1,3 Prozent – nach Gebühren und Steuern. Noch etwas besser sehen die Daten über den Zeitraum von sechs Monaten (Februar bis Juli 2019) aus. Je nach Robo-Advisor Anbieter wurden Werte von +2,4 bis +10,1 Prozent erreicht.

Bemerkenswert ist allerdings, dass die Benchmark I, eine Kombination aus 50 Prozent MSCI World und 50 Prozent Barclays Aggregate Bonds, in der gleichen Spanne ein Plus 8,7 Prozent erreichte. Diese Hürde übersprang nur eine Online-Vermögensverwaltung. Die Benchmark II, ein Portfolio nach Kommer-Strategie, war für die meisten Anbieter hingegen kein Problem (+3,4 Prozent).“

Und das Fazit?

Nein – Robo Advisor Angebote sind nicht unsinnig und bieten auch keinen Anlass, um Ihnen nicht zu trauen. Sie bieten einen unproblematischen Einstieg in die Investment-Welt mit einfachen Mitteln und deutlich niedrigeren Einstiegshürden hinsichtlich Mindest-Anlagesummen. Und Nein, es ist ebenso wenig notwendig sich umfangreiches Investment-Wissen anzueignen, um das notwendige Vertrauen in ein solches digitales Kapitalanlage-Angebot zu gewinnen.

Liegt ein solches Wissen vor, kann man seine Geldanlage auch selbst organisieren, steuern und verwalten. Voraussetzung ist jedoch, dass man seine Erwartungshaltung an den Robo-Advisor Anbieter nicht in eine Dimension schraubt, die schlicht nicht existiert und hoher Wahrscheinlichkeit auch nie existieren wird, denn die „eierlegende Wollmilchsau“ gibt es nirgendwo und somit auch nicht in der Welt des digitalen Investments!

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Markus G

Markus ist der “Kopf” des Teams. Ideengeber, Vermarkter, Redakteur und irgendwie an allem auf diesem Portal beteiligt. Ohne ihn würde es dieses Portal so nicht geben. Eine Idee – entstanden aus dem persönlichen Interesse an FinTech und nun langjähriger Erfahrungen in der Finanz-Szene. Zudem ist Markus Kolumnist auf zahlreichen Online-Plattformen – vor allem im englischsprachigen Raum (The Verge, Talkmarkets, Stockopedia, aber u.a. auch auf Focus.de
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