Smart Beta ETF: Endlich den Markt schlagen?

In einer Zeit, in der passive Indexfonds die Anlagewelt dominieren, versprechen Smart Beta ETFs einen verlockenden Mittelweg zwischen klassischem passivem und aktivem Investment. Diese neue Generation von Anlagestrategien weckt bei vielen Investoren die Hoffnung, endlich die lang ersehnte Überrendite gegenüber dem Gesamtmarkt zu erzielen. Doch können Smart Beta ETFs dieses Versprechen wirklich einlösen?

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Markus G

Zuletzt aktualisiert am: 7. November 2024

Smart Beta ETF

20. Mai 2018

Die Evolution der Indexierung

Die traditionelle Indexierung, bei der Aktien nach Marktkapitalisierung gewichtet werden, hat sich über Jahrzehnte bewährt. Dennoch zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, dass bestimmte Faktoren wie Momentum, Value oder Quality langfristig zu Überrenditen führen können. Genau hier setzen Smart Beta ETFs an: Sie kombinieren die Kosteneffizienz der passiven Anlage mit systematischen Anlagestrategien, die diese Faktoren gezielt ausnutzen.

Klassische Indizes wie der DAX oder S&P 500 haben einen entscheidenden Nachteil: Sie gewichten Aktien ausschließlich nach ihrer Marktkapitalisierung. Dies führt zwangsläufig dazu, dass sie in teure, möglicherweise überbewertete Aktien überproportional investieren. Smart Beta Strategien versuchen, diesen systematischen Nachteil zu überwinden.

Was macht Smart Beta anders?

Smart Beta ETFs lösen sich von der klassischen Marktkapitalisierung als alleiniges Gewichtungskriterium. Stattdessen berücksichtigen sie fundamentale oder technische Faktoren, die nachweislich einen positiven Einfluss auf die Rendite haben können.

Die wichtigsten Faktoren im Detail:

Value: Fokussiert auf unterbewertete Aktien, gemessen an Kennzahlen wie KGV, KBV oder Dividendenrendite. Historische Daten zeigen, dass Value-Aktien langfristig eine Überrendite von durchschnittlich 2-4% p.a. gegenüber Growth-Aktien erzielen konnten.

Momentum: Basiert auf der Erkenntnis, dass Aktien mit positiver Kursentwicklung diesen Trend oft fortsetzen. Momentum-Strategien haben in der Vergangenheit Überrenditen von 3-5% p.a. erzielt.

Quality: Konzentriert sich auf Unternehmen mit stabilen Gewinnen, geringer Verschuldung und effizientem Kapitaleinsatz. Quality-Strategien zeigten sich besonders in Marktstressphasen robust.

Low Volatility: Zielt auf Aktien mit geringeren Kursschwankungen ab. Überraschenderweise erzielten diese Aktien historisch oft bessere risikoadjustierte Renditen als hochvolatile Titel.

Die wissenschaftliche Grundlage

Die Grundidee der Smart Beta Strategie basiert auf jahrzehntelanger Finanzforschung. Nobelpreisträger Eugene Fama und Kenneth French identifizierten bereits in den 1990er Jahren die Faktoren Size und Value als signifikante Treiber von Überrenditen. Ihre bahnbrechende Studie “The Cross-Section of Expected Stock Returns” (1992) legte den Grundstein für das Verständnis von Faktoren-Investing.

Spätere Forschungen, insbesondere von Mark Carhart (1997), ergänzten den Momentum-Faktor. Robert Novy-Marx (2013) etablierte den Quality-Faktor mit seiner einflussreichen Arbeit über die “Qualität des Gewinns”. Diese akademischen Erkenntnisse bilden das Fundament für die systematische Ausnutzung von Marktanomalien durch Smart Beta ETFs.

Praxisbeispiel: Multi-Faktor-Ansatz

Ein besonders interessanter Ansatz ist die Kombination mehrerer Faktoren. Ein Multi-Faktor-ETF kombiniert typischerweise:

  • Value-Komponente: Filtert Aktien nach günstigen fundamentalen Bewertungen
  • Momentum-Komponente: Gewichtet Aktien mit positiver Kursdynamik höher
  • Quality-Komponente: Berücksichtigt die Bilanzqualität und Ertragsstabilität

Kosten und Tracking Error

Im Vergleich zu klassischen ETFs fallen bei Smart Beta Produkten höhere Kosten an. Während traditionelle ETFs oft Gesamtkostenquoten (TER) von 0,1% bis 0,2% aufweisen, liegen Smart Beta ETFs typischerweise bei 0,3% bis 0,5%. Diese Mehrkosten müssen durch die Faktorprämien erst erwirtschaftet werden.

Steuerliche Aspekte und Reporting

In Deutschland aufgelegte Smart Beta ETFs unterliegen den gleichen steuerlichen Regelungen wie klassische ETFs. Sie profitieren von der Teilfreistellung für Aktienfonds (30% bei Privatanlegern). Die komplexeren Regelwerke können jedoch zu höheren Transaktionskosten und damit zu einer höheren Tracking Difference führen.

Die Rolle im Portfolio

Eine sinnvolle Portfolioallokation könnte wie folgt aussehen:

  • Kernportfolio (60-70%): Klassische marktkapitalisierte ETFs
  • Smart Beta Satelliten (20-30%): Gezielte Faktorstrategien
  • Taktische Allocation (10-20%): Aktive Fonds oder Einzeltitel

Ausblick und Trends

Der Smart Beta Markt entwickelt sich dynamisch weiter. Neue Trends umfassen:

  • ESG-Integration: Kombination von Faktoren mit Nachhaltigkeitskriterien
  • Dynamic Beta: Adaptive Anpassung der Faktorgewichtung
  • Machine Learning: Nutzung von KI zur Faktoroptimierung

Fazit: Evolution statt Revolution

Smart Beta ETFs stellen eine interessante Weiterentwicklung der ETF-Landschaft dar. Sie bieten Anlegern die Möglichkeit, wissenschaftlich fundierte Anlagestrategien kostengünstig umzusetzen. Allerdings sind sie kein Wundermittel zur garantierten Marktüberrendite. Wie bei allen Anlageentscheidungen sind gründliche Analyse, realistische Erwartungen und ein langer Anlagehorizont entscheidend für den Erfolg.

Die empirische Evidenz für Faktorprämien ist überzeugend, aber Anleger müssen bereit sein, auch längere Perioden der Unterperformance durchzustehen. Smart Beta ETFs sind ein wertvolles Werkzeug im modernen Portfoliomanagement – aber sie erfordern ein tieferes Verständnis als klassische ETFs und eine klare Anlagestrategie.

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Markus G

Markus ist der “Kopf” des Teams. Ideengeber, Vermarkter, Redakteur und irgendwie an allem auf diesem Portal beteiligt. Ohne ihn würde es dieses Portal so nicht geben. Eine Idee – entstanden aus dem persönlichen Interesse an FinTech und nun langjähriger Erfahrungen in der Finanz-Szene. Zudem ist Markus Kolumnist auf zahlreichen Online-Plattformen – vor allem im englischsprachigen Raum (The Verge, Talkmarkets, Stockopedia, aber u.a. auch auf Focus.de
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