In der globalen Wirtschaft herrschen oft ähnliche Regeln wie in der Natur: Die „Starken“ dominieren die „Schwachen“, und die „Großen“ schlucken die „Kleinen“ – wobei „schlucken“ hier die strategische Übernahme meint. Solche Übernahmen ergeben aus Unternehmenssicht häufig Sinn, auch wenn ihre Umsetzung mitunter komplex ist. Für Anleger eröffnen sich dabei jedoch außergewöhnliche Chancen auf erhebliche Renditen. Wer diese Situationen rechtzeitig erkennt und gezielt nutzt, kann überdurchschnittliche Gewinne erzielen.
Julian L.
Zuletzt aktualisiert am: 17. Oktober 2024
17. Oktober 2018
In der dynamischen Welt der Finanzanlagen bietet die Investition in Unternehmen, die Ziel einer Übernahme sind oder werden könnten, eine faszinierende Möglichkeit für überdurchschnittliche Renditen. Diese Strategie, bekannt als “Merger Arbitrage” oder “Risk Arbitrage“, nutzt die Preisdifferenzen, die bei Unternehmensübernahmen entstehen.
Der Übernahmeprozess beginnt mit der Ankündigung eines Kaufangebots durch ein Unternehmen für ein anderes. In der Regel liegt der angebotene Preis deutlich über dem aktuellen Marktpreis, was zu einem sofortigen Kursanstieg der Aktie des Zielunternehmens führt. Dieser Kursanstieg erreicht jedoch selten sofort den vollen Angebotspreis. Die Differenz zwischen dem Marktpreis nach der Ankündigung und dem Angebotspreis wird als “Spread” bezeichnet und spiegelt die Unsicherheit des Marktes bezüglich des erfolgreichen Abschlusses der Übernahme wider.
Nach der Ankündigung folgt eine Phase der Due Diligence und Verhandlungen, während der der Aktienkurs des Zielunternehmens schwanken kann. Bei größeren Übernahmen ist oft eine regulatorische Prüfung erforderlich, die mehrere Monate in Anspruch nehmen kann. Diese Phase beeinflusst maßgeblich die Größe des Spreads und damit das Potenzial für Anleger.
Die Rendite für Investoren hängt von mehreren Faktoren ab. Der Einstiegszeitpunkt ist entscheidend: Anleger, die bereits vor der Übernahmeankündigung investiert waren, profitieren am meisten vom initialen Kurssprung. Diejenigen, die nach der Ankündigung einsteigen, spekulieren auf den verbleibenden Spread. Die Art der Übernahme spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Bei Barangeboten ist die potenzielle Rendite klar durch den Spread definiert. Bei Aktientausch-Angeboten hängt die Rendite zusätzlich von der Kursentwicklung des übernehmenden Unternehmens ab.
Die Dauer des Übernahmeprozesses beeinflusst die annualisierte Rendite erheblich. Längere Prozesse binden Kapital und können die Gesamtrendite schmälern, während schnelle Abschlüsse zu attraktiven annualisierten Renditen führen können, selbst wenn der absolute Gewinn gering ausfällt. Der wichtigste Faktor bleibt jedoch der erfolgreiche Abschluss der Übernahme. Bei Erfolg realisieren Anleger den vollen Spread als Gewinn. Scheitert die Übernahme, drohen oft erhebliche Verluste, da der Kurs häufig unter das Niveau vor der Ankündigung fällt.
Um die Attraktivität und Risiken dieser Strategie besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf einige statistische Daten. Laut einer Studie von Boston Consulting Group lag die durchschnittliche Übernahmeprämie im Jahr 2020 bei etwa 36% über dem Aktienkurs vor der Ankündigung. Interessanterweise variiert diese Prämie stark nach Branche, mit besonders hohen Werten im Technologiesektor (durchschnittlich 44%) und im Gesundheitswesen (37%).
Die Erfolgsquote angekündigter Übernahmen ist ebenfalls ein wichtiger Indikator. Historische Daten zeigen, dass etwa 80-90% der öffentlich angekündigten Übernahmen tatsächlich abgeschlossen werden. Diese Quote schwankt jedoch je nach Marktphase und kann in Bärenmärkten deutlich niedriger ausfallen.
Für Anleger, die nicht direkt in einzelne Übernahmesituationen investieren möchten, bieten spezialisierte Merger-Arbitrage-Fonds eine Alternative. Der HFRI ED: Merger Arbitrage Index, der die Performance solcher Fonds misst, hat in den letzten 10 Jahren (bis 2023) eine durchschnittliche jährliche Rendite von etwa 4-5% erzielt. Im Vergleich dazu erzielte der S&P 500 im gleichen Zeitraum zwar eine höhere durchschnittliche jährliche Rendite von etwa 12%, allerdings mit deutlich höherer Volatilität.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Dauer von Übernahmen. Eine Studie von PwC ergab, dass 2020 eine durchschnittliche Übernahme vom Ankündigungsdatum bis zum Abschluss etwa 122 Tage dauerte. Grenzüberschreitende Übernahmen benötigten im Schnitt 157 Tage, während nationale Übernahmen in 92 Tagen abgeschlossen wurden. Diese Zeitspannen sind entscheidend für die Berechnung der annualisierten Renditen und die Einschätzung des Kapitalbedarfs.
Um die praktischen Auswirkungen dieser Strategie zu veranschaulichen, betrachten wir zwei kontrastreiche historische Beispiele:
Die Übernahme von LinkedIn durch Microsoft im Jahr 2016 ist ein Paradebeispiel für eine erfolgreiche Transaktion. Am 13. Juni 2016 kündigte Microsoft die Übernahme für 196 $ pro Aktie an, was einer Prämie von 49,5% gegenüber dem Schlusskurs vom 10. Juni entsprach. Der Gesamtwert der Transaktion belief sich auf beeindruckende 26,2 Milliarden Dollar.
Unmittelbar nach der Ankündigung stieg der Kurs von LinkedIn auf etwa 192 $. Der verbleibende Spread von 4 $ bot Anlegern, die zu diesem Zeitpunkt einstiegen, eine potenzielle Rendite von 2,08%. Die Übernahme wurde am 8. Dezember 2016, 178 Tage nach der Ankündigung, erfolgreich abgeschlossen. Anleger, die am Tag der Ankündigung investierten, erzielten somit eine annualisierte Rendite von etwa 4,3%.
Dieses Beispiel zeigt, wie selbst bei einem relativ geringen Spread attraktive annualisierte Renditen möglich sind, wenn die Übernahme zügig abgeschlossen wird. Der geringe anfängliche Spread deutete zudem auf eine hohe Marktzuversicht bezüglich des erfolgreichen Abschlusses hin.
Im Gegensatz dazu veranschaulicht der gescheiterte Übernahmeversuch von Honeywell durch General Electric (GE) im Jahr 2001 die Risiken dieser Strategie. GE kündigte am 22. Oktober 2000 ein Aktientauschangebot im Wert von etwa 54 $ pro Honeywell-Aktie an, was einer Prämie von rund 46% entsprach.
Nach der Ankündigung stieg der Kurs von Honeywell auf über 50 $. Doch am 3. Juli 2001, nach mehr als acht Monaten intensiver Verhandlungen und regulatorischer Prüfungen, zog GE das Angebot zurück, nachdem die EU-Kommission die Übernahme abgelehnt hatte. In der Folge fiel der Kurs von Honeywell auf unter 35 $ – ein Niveau, das sogar unter dem Kurs vor den ersten Übernahmegerüchten lag.
Anleger, die nach der Ankündigung bei etwa 50 $ eingestiegen waren, erlitten Verluste von über 30%. Dieses Beispiel unterstreicht die erheblichen Risiken, die mit der Merger-Arbitrage-Strategie verbunden sein können, insbesondere bei langwierigen Übernahmeprozessen und komplexen regulatorischen Herausforderungen.
Die Merger-Arbitrage-Strategie bietet Anlegern einzigartige Chancen, birgt aber auch spezifische Risiken. Zu den Chancen zählt das Potenzial für attraktive Risikoprämien, die oft höher ausfallen als die Renditen von Anleihen vergleichbarer Laufzeit. Dies macht die Strategie besonders in Niedrigzinsphasen interessant. Zudem weisen die Renditen aus Merger Arbitrage häufig eine geringe Korrelation mit dem Gesamtmarkt auf, was sie zu einem wertvollen Instrument für die Portfoliodiversifikation macht.
Das Hauptrisiko liegt im möglichen Scheitern der Übernahme, was zu erheblichen Verlusten führen kann. Gründe für ein Scheitern können regulatorische Hindernisse, Finanzierungsprobleme oder der Rückzug des Käufers sein. Bei Aktientausch-Angeboten besteht zusätzlich ein Marktrisiko durch Kursschwankungen des übernehmenden Unternehmens.
Die Komplexität der Strategie stellt eine weitere Herausforderung dar. Die genaue Einschätzung von Übernahmechancen erfordert oft spezifisches Fachwissen und Zugang zu Informationen, was Privatanleger gegenüber institutionellen Investoren benachteiligen kann. Auch Liquiditätsrisiken, insbesondere bei kleineren Übernahmen oder in volatilen Marktphasen, sollten nicht unterschätzt werden.
Um diese Risiken zu minimieren, empfiehlt sich eine sorgfältige Diversifikation über mehrere Übernahmesituationen hinweg. Gründliche Due-Diligence-Prüfungen, eine Begrenzung des Kapitaleinsatzes pro Transaktion und ein kontinuierliches Monitoring der Entwicklungen sind ebenfalls wichtige Strategien zur Risikominimierung.
Die Investition in Übernahmekandidaten kann eine lukrative Strategie sein, erfordert aber tiefgreifendes Wissen, sorgfältige Analyse und ein gutes Risikomanagement. Für Privatanleger ist es oft ratsam, diese Strategie über spezialisierte Fonds oder ETFs zu verfolgen, anstatt einzelne Übernahmesituationen selbst zu analysieren und zu handeln.
Wie bei allen Anlagestrategien gilt: Die Diversifizierung des Portfolios und das Verständnis der eingegangenen Risiken sind entscheidend für den langfristigen Erfolg. Die Merger-Arbitrage-Strategie kann bei richtigem Einsatz eine wertvolle Ergänzung zu traditionellen Anlageformen darstellen und Anlegern die Möglichkeit bieten, von den dynamischen Entwicklungen im Bereich der Unternehmensübernahmen zu profitieren.
Julian L.
Julian ist Trader und Schreiberling in Einem. Ein echter Nachtmensch, denn er ist am Markt, wenn andere schlafen. Nichts, was er im Anlagebereich nicht schon für sich genutzt hätte oder aktuell nutzt. Er kennt die meisten Broker-Plattformen, weiss Signale und Markt-Trends zu erkennen und zu bewerten. Sieht er an den weltweiten Börsen die Chance “Geld zu machen”, dann ist er in seinem Element. Er führt unter anderem unsere Anbieter-Tests durch und wird in regelmässigen Abständen seine Meinung zum Finanzmarkt kundtun.
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